Fußball als Leidenschaft

Die englischen Fußballfans sind berühmt und berüchtigt – die letzte Europameisterschaft hat das einmal mehr gezeigt. Dass aber Fußball nicht nur aus Saufen und Randale einerseits und selbstverliebten Starkickern andererseits besteht, sondern vor allem aus Leidenschaft und Hingabe, zeigt Ken Grant (* 1967) mit seinem Buch unter dem (für mich nicht übersetzbaren Titel) A topical times for these times. Grant begleitete Fans vor und nach dem Spiel auf den Straßen seiner Heimatstadt Liverpool und fotografierte bei unterklassigen Matches irgendwo an der Peripherie. Er zeigt Szenen, die man nie im Fernsehen zu sehen bekommt. Er war nicht in den großen Arenen und es geht nicht um distanzierte Sportfotografie, bei der mit langen Teleobjektiven hantiert wird, sondern um eine Ästhetik der Präsenz. Denn der Fotograf bleibt, sozusagen auf Ballhöhe, nahe am Geschehen auf den Sportplätzen und in den Pubs. Die Stadt spielt eine wichtige Nebenrolle – sie gibt den nicht ganz auf Hochglanz polierten Rahmen für die Alltagshelden, die beim Fußball Halt und Ziel suchen.

Die Fußballer und die Fans aus Wales, Irland und Island haben bei der EM etwas geschafft, was nicht im durchgestylten Fußballgeschäft kaum mehr zu erwarten war: Ihre Begeisterung, ihr Zusammengehörigkeitsgefühl machte die Entgleisungen der Hooligans genauso vergessen wie das langweilige Effizienz-Gekicke mancher auf dem Papier favorisierter Mannschaft. Dem geduldigen Beobachter Grant ist es gelungen, in seinen Schwarzweißfotos eine authentische und emotionsgeladene Atmosphäre einzufangen und zu einem mitreißenden Epos zu verdichten. Zudem ist die (perfekt gedruckte) Bildstrecke so gestaltet, dass sich immer wieder Höhepunkte ergeben, zwischendurch aber Phasen des Abwartens, der Erschöpfung, des Leerlaufs, des Anstehens andeuten, dass das nächste Erfolgserlebnis hart erarbeitet werden will. Ein Fotobuch auch für Fußballmuffel!