Aufstand der Dinge

Anna und Bernhard Blumes komische Fotoserien

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In der ungeschriebenen Geschichte des Komischen in der Fotografie würde das Kölner Künstlerehepaar Anna und Bernhard Blume neben dem Engländer Michael Parr zweifellos eine zentrale Rolle einnehmen. Die Blumes einerseits und Parr andererseits markieren überhaupt zwei verschiedene Möglichkeiten komischer Fotografie. Während Parr mit vorgefundenen Situationen arbeitet, das Komische, Absonderliche und Groteske des Alltags aufspürt und grellfarbig übersteigert ablichtet, gehen die Blumes seit rund drei Jahrzehnten genau den umgekehrten Weg, obwohl ihr Thema eigentlich dasselbe ist. Auch sie erforschen die psychotischen Abgründe kleinbürgerlicher Alltäglichkeit. Aber sie dokumentieren nicht, was sie auf der Straße oder in Wohnräumen vorfinden, sie inszenieren das Absurde in bizarr-grotesken Szenenfolgen. Die typischen Insignien spießbürgerlicher Behaglichkeit – Vasen, Stühle oder Kartoffeln gar – gehen in mit Sofas und furnierten Schrankwänden eingerichteten Wohnwelten zum frontalen Gegenangriff über, wie etwa in den Großfotoserien „Küchenkoller“, „Vasenekstase“ oder „Im Wahnzimmer“. Die beiden Akteure inszenieren sich im Blümchenkleid oder im kleinkarierten Anzug als komische Opfer einer sich verselbstständigenden Dingwelt, die in wildem Dynamismus ausflippt, bis alles buchstäblich in Trümmern liegt.

Die Schwarz-Weiß-Ästhetik ihrer Serien scheint dabei ganz bewusst die Ära des Slapstick-Films zu antizipieren und erinnert an Laurel und Hardys zum Scheitern verurteilte, gleichwohl lustvoll kindliche Kämpfe gegen die Tücken der Objekte. Trotz der zeitlich eng gefassten 50er-Jahre Interieurs und den entsprechenden Verkleidungen gelang und gelingt es den Blumes mit ihren Bildfolgen, eine überzeitliche Form des Komischen zu kreieren, die in der Fotografie einzigartig ist.

Diese besondere Rolle des Künstlerpaars stellt der Ausstellungskatalog (Museum am Ostwall, Dortmund und Haus Konstruktiv, Zürich) mit klug analysierenden Beiträgen und einem lesenswerten Interview heraus. Einziger Wermutstropfen: Die im Wortsinne verrückte Bildwelt der Blumes kommt zu kurz, die verschiedenen Fotoserien werden leider nur in Ausschnitten – oder, was noch bedauerlicher ist, gar nicht – wiedergegeben.

 

  • Titel: de-konstruktiv
  • Untertitel: Bilder aus dem wirklichen Leben
  • Bildautor: Anna & Bernhard Blume
  • Textautor: 
  • Herausgeber: Museum am Ostwall Dortmund, Haus Konstruktiv Zürich
  • Gestalter: 
  • Verlag: Kerber
  • Verlagsort: Bielefeld
  • Erscheinungsjahr: 2006
  • Sprache: deutsch, englisch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 136
  • Bindung: Hardcover, Schutzumschlag
  • Preis: 36 Euro
  • ISBN: 9783866780293

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