City of darkness

Life in Kowloon Walled City

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Ganze vier Jahre verbrachten Greg Girard und Ian Lambot in der Walled City – Hong Kongs ehemaligem Schattenreich, das 1993 dem Erdboden gleich gemacht wurde.Auf einem Gebiet von nicht mehr als 100 x 200 Metern lebten zu Hochzeiten 35.000 Menschen in Wohnungen, die sich einem Termitenbau ähnlich unorganisiert übereinander türmten. Eng, schmutzig und ohne stadtplanerisches Konzept errichtet ist der Stadtteil ein architektonisches Phänomen. Ebenso phänomenal sind seine Einwohner, die trotz fensterloser Appartements, nur acht öffentlichen Trinkwasseranschlüssen und verdreckten Gassen eine harmonisch funktionierende Gemeinschaft bilden.

Mensch und Architektur sind dementsprechend die Schwerpunkte, auf die die beiden Fotografen ihren Blick richten. In eindrucksvollen Bildern zeigen sie die labyrinthische Bauweise des Stadtteils: unterirdische Gänge mit offen liegenden Verkabelungen, vergitterte Balkone unter einem Netz von TV-Verbindungen oder Antennengewirr über den Dächern der Stadt. Demgegenüber gestellt sind Fotografien der Bewohner in alltäglichen Situationen. Sie gewähren Einblick in die Wohnungen und Geschäfte, die sich oft nur von elektrischem Licht beleuchtet aus der Dunkelheit schälen. Dem Betrachter erscheint es dabei nahezu unglaublich, dass sich hinter den unübersichtlichen Fassaden und feuchten Treppenaufgängen fast klinisch saubere Wohnungen und Ladengeschäfte befinden. Die kontrastreich zusammengestellten Fotografien transportieren die Schönheit und die Solidarität, die trotz der widrigen Umstände in diesem architektonischen Wirrwarr zu finden sind. Am liebsten möchte man hineinschlüpfen in die Bilder und die Gegend selbst erkunden.

Die Intensität des Buches beruht nicht zuletzt auf der langjährigen Erfahrung der Autoren mit der asiatischen Kultur und Architektur. Greg Girard veröffentlicht bereits seit Mitte der 70er-Jahre Fotografien aus Megastädten wie Hong Kong, Shanghai, Hanoi oder Tokyo. Zuletzt erschien sein ebenfalls großartiger Bildband Hanoi Calling: One thousand years now. Ian Lambot hingegen begann als Architekt, konzentrierte sich später auf Fotografie und Design und gründete 1989 den Verlag Watermark Publications, mit dem er sich auf Architektur und Ingenieurwesen spezialisierte.

Als produktives Verfasserteam recherchierten sie neben ihrer fotografischen Arbeit historische Aufnahmen, die die Entstehung und Entwicklung des ehemaligen chinesischen Militärpostens zu einem nahezu rechtsfreien Raum illustrieren. Außerdem kommen die Menschen zu Wort, die hier leben. In aufschlussreichen Interviews erzählen sie über die Umstände, die sie in diesen chaotischen Mikrokosmos führten und äußern ihre Meinung zu der bevorstehenden Sprengung ihres Viertels.

In den letzten 20 Jahren ist die Walled City auch außerhalb Hong Kongs zu einem Sagen umwobenen Ort geworden, der bis heute Filmemacher und Science-Fiction Autoren inspiriert. An seiner Stelle befindet sich inzwischen ein nach altchinesischer Tradition gestalteter öffentlicher Park. Pünktlich zum Abriss 1993 erschien die erste Ausgabe des Buches, das seither mehrfach wieder aufgelegt wurde (zuletzt 2009).

Was uns bleibt ist dieses Buch, als eindrucksvolles Dokument eines zwielichtigen und doch lebenswerten Stadtteils.

  • Titel: City of darkness
  • Untertitel: Life in Kowloon Walled City
  • Bildautor: Greg Girard, Ian Lambot
  • Textautor:  Greg Girard, Charles Goddard, Leung Ping Kwan, Emmy Lung, Peter Popham, Julia Wilkinson
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: Ian Lambot
  • Verlag: Watermark
  • Verlagsort: London
  • Erscheinungsjahr: 9.Aufl. 2009 (EA 1993)
  • Sprache: englisch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 216
  • Bindung: Paperback
  • Preis: 79 $
  • ISBN: 978-1873200131

2 Antworten zu City of darkness

    • … das war der damalige Neupreis für diese Ausgabe. Das Buch gibt es heute nur noch antiquarisch zu entsprechend hohen Preisen, was für alle Auflagen gilt.