Das gelobte Land liegt in Spanien

Ulrich Gebert, Amerika

Gebert_Cover

Dieses Buch offenbart zunächst gar nichts von seinem Inhalt. Die Pappdeckel des Einbands sind mit weißem Leinen bezogen und vom Künstler eigenhändig mit dem Titel bestempelt worden: Amerika. Wer jetzt denkt, es handelt sich um eine Reise nach Übersee, wird zunächst enttäuscht. Denn mit Amerika ist weder der Kontinent noch ein dort liegendes Land gemeint, sondern es geht um ein Traumziel, in diesem Fall Spanien.

Innen setzt sich das Konzept weißer Freiräume fort. Das luftige und großzügige Layout umfasst drei Kapitel mit je einer doppelseitigen Abbildung als einer Art Höhepunkt. In Kapitel 1 gibt es außerdem durchgehend hochformatige Einzelfotos, in Kapitel 2 sind die Doppelseiten mit Leerseiten links und querformatigen Bildern rechts gestaltet und Kapitel 3 besteht aus einer Sequenz aus lediglich drei in der Größe ansteigenden Bildern. Der abschließende Text von Jens Kastner wurde in drei verschiedenen Versionen in Englisch, Spanisch und Deutsch auf cremefarbiges Papier gedruckt. Soweit die Form. Aber worum geht es Ulrich Gebert, dem Fotografen? Kapitel 1 besteht aus Nachtaufnahmen, die aus der Perspektive einer Überwachungskamera gemacht wurden. Zu sehen sind Kleintransporter und meist dunkelhäutige Leute, die an den Fahrzeugen herumstehen. Offenbar werden hier unter konspirativen Bedingungen Arbeitskräfte verpflichtet. Kapitel 2 bringt Farbe ins Spiel; satt grüne Orangenbäume mit reifen Früchten soweit der Bildwinkel reicht, dazwischen sitzen rastende Erntehelfer, hin und wieder sind wie bei einem Vexierbild pflückende Hände im Blattwerk zu erkennen. Kapitel 3 spielt dann wieder in der Nacht, zu sehen sind ein Haus mit einem Garagentor, vor dem ein provisorischer (Verkaufs-?)Tisch steht, dann Leute, die im Lichte von Scheinwerfern auf einem Parkplatz ober- oder außerhalb einer Ortschaft stehen und für das letzte Bild der abrupt abbrechenden Bildstrecke hat Gebert die Kamera direkt auf einen Lichtmast gerichtet; der Blick wird angezogen von der Lampe, die gleißende Helligkeit verbreitet. Ansonsten herrscht Finsternis.

Das Ganze ist als künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Arbeitsmigration und Ausbeutung gedacht; Afrikaner sind illegal in Spanien beschäftigt. Der dem Buch beigegebene soziologische Text zu Fragen von Grenzen und Grenzüberschreitungen in Erwartung einer besseren Zukunft bestätigt diese Vermutung, wenn auch der Autor, ganz im Sinne des Gesamtkonzeptes, mit keiner Zeile auf die Fotos oder auf eine konkrete Situation, wie sie offenbar in Spanien besteht, eingeht.

Gebert ist eine verstörende Publikation gelungen, deren reduzierte Form in Erinnerung bleibt. Das Vage, Angedeutete schafft Assoziationsräume, wie sie im Rahmen eines Reportageauftrags für eine Zeitschrift nicht hätten geöffnet werden können.

  • Titel: Amerika
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Ulrich Gebert
  • Textautor: Jens Kastner
  • Herausgeber: Facultad de Bellas Artes, Universidad Politécnica de Valencia, Spanien u.a.
  • Gestalter: 
  • Verlag: Kerber
  • Verlagsort: Bielefeld
  • Erscheinungsjahr: 2007
  • Sprache: deutsch, englisch, spanisch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 80
  • Bindung: Leinen
  • Preis: 26,50 Euro
  • ISBN: 9783866780859

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