Eine Behörde bei Nacht

Martin Schlüter über die Zentrale des BND

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Der Bundesnachrichtendienst zieht um. Die Residenz am bisherigen Standort München-Pullach unterlag selbstverständlich der Geheimhaltung und erst jetzt, kurz vor Aufgabe des Standorts, konnte Martin Schlüter (* 1977) dort fotografieren. Er zeigt dem Bürger „draußen im Lande“ Ansichten von Gebäuden, Dienst- und Sozialräumen bis hin zu den Zwingern der Wachhunde. Sicher ist, dass man in Schlüters Bildern nur das sieht, was man sehen darf. Und das wird in den Bildtexten genau erläutert. Schlüter fotografierte Büros, Pinnwände, die Kantine, Sitzungsräume, Details von technischen Anlagen und und – alles menschenleer und technisch perfekt bei vorhandener Beleuchtung. Ob man diese Art der Fotografie nun als spannend oder mysteriös und damit dem Geheimdienst angemessen bezeichnen kann, ob der Bürger jetzt besser über die Aktivitäten der Staatsschützer informiert ist, ob die Bilder gar eine subersive Qualität auf dem Kunstmarkt entfalteten? Das darf bezweifelt werden. Für das Projekt BND von Andreas Magdanz, dem Spezialisten für investigative Architekturportraits, galt das alles noch. Er hatte es vermocht, den in die Jahre gekommenen Bau- und Räumlichkeiten der Behörde in seinen Fotos eine Aura des Verbotenen, des Geheimen, des Suspekten, des Unnahbaren zu belassen und dazu auch eine angemessene, nämlich gestalterisch und textlich lakonische Form der Veröffentlichung zu finden.

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Das in seinen informativen Details und den immer gleichen schummerigen Situationen ermüdende Buch von Schlüter hat einen ironisch gemeinten Titel (selbstverständlich schlafen Spione nie!) und zeigt die Zentrale der Spione nicht anders als eine Behörde bei Nacht. Gut, ein Finanzamt beispielsweise hätte nicht so viele Räume, kein Labor, keine eigenen Schneiderei, keinen Stacheldrahtzaun, keine Kegelbahn, keinen Luftschutzbunker und was auch immer man noch an Sonderbarem in Schlüters Buch findet. Ein Finanzamt hätte das Potential, als Bastion der Bürokratie, als Fundament korrekten staatlichen Handelns, als Hort der Unbestechlichkeit mit Ambivalenz und Schwung eine Darstellung von kritischem Unterhaltungswert zu finden. So etwas ähnliches hätte man vielleicht auch aus der geheimen BND-Behörde herausholen können… „In manchen Räumen haben BND-Mitarbeiter versucht, die triste Büroatmosphäre durch persönliche Dinge aufzulockern“ (Bildtext, S. 60 und 76). Allein der augenzwinkernde Blick des nächtlichen Spions auf verbotene „letzte Motive“ ist, trotz der Würze mit einer guten Prise Surrealismus, eine ziemlich schmale Basis für einen ganzen Bildband.

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  • Titel: Nachts schlafen die Spione
  • Untertitel: Letzte Ansichten des BND in Pullach
  • Bildautor: Martin Schlüter
  • Textautor: Klaus Honnef, Niklas Maak
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: Sieveking Verlag
  • Verlag: Sieveking Verlag
  • Verlagsort: München
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: deutsch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 160
  • Bindung: Hardcover, Schutzumschlag
  • Preis: 59,90 Euro
  • ISBN: 978-3-944874-03-6

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