Sooooo viele Bilder mit soooo vielen Leuten

Eine Enzyklopädie des Gruppenbildes

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Ob man das „So“ im Titel des Buches mit 5, 18 oder 36 o schreibt, spielt eigentlich keine Rolle. Der Buchstabe o kann auch für die Zahl 0 stehen. Die Masse macht es, um die Masse geht es. Ein Buch zur Kultur der Gruppenfotografie wie dieses muss groß, dick und schwer und trotzdem gut handzuhaben sein. Selbstverständlich muss es unzählige Fotos enthalten. Es geht um Feuerwehren, Gesangvereine, Soldaten, Familien, Schüler, Touristen, Reichsparteitage, Gruppensex – Zusammenballungen von Menschen eben, meist sorgfältig arrangiert, seltener zufällig entstanden, immer aber fotografisch verewigt.

Der Bildforscher Fritz Franz Vogel hat in überwiegend Schweizer Sammlungen ein großes Konvolut an entsprechenden Bildbeispielen gesichtet, reproduziert, strukturiert und für die Veröffentlichung in Form von Tableaus choreografiert. In gewisser Weise spiegelt das lebendige Layout die Vielfalt der Bildvorlagen. Viele dieser Tableaus wurden mit einem Fond aus Farbtönen gestaltet, die aus den alten Fotos bzw. von deren Passepartouts und Unterlagekartons entnommen sein könnten (was aber zuweilen keine gute Wahl war, weil die Tonigkeit von Bild und Hintergrund zu ähnlich ist). Hin und wieder spielt Vogel auch mit seinem Material und findet für die Anordnung der Bilder „sprechende“ Lösungen wie rhizom- oder sternartige Strukturen. Die winzig klein gesetzten, aber wegen Besitznachweisen und Datierungen nicht überflüssigen Bildlegenden sitzen mehr oder weniger knapp an oder gar in den elektronisch erzeugten Schatten. Diese sind zuweilen nicht Schwarz, sondern Weiß, was dann etwas zu viel des Guten ist. Oder ist das als bewusst irritierendes Element gedacht?

Ein Inhaltsverzeichnis braucht dieses Werk nicht. Es entwickelt auf magische Weise einen Sog, der den Betrachter dazu motivert, immer weiter zu blättern, alle Aufklappseiten tatsächlich auch aufzuklappen. Die Folge: Man verliert sich irgendwann in der Flut der präsentierten Fotos – und kommt vom Schauen zum Lesen. Ein Kapitel beschäftigt sich mit fotokünstlerischen Konzepten zum Thema Gruppe. Vogel stellt dazu eine Auswahl von über 30 Positionen in kurzen Texten und Bildbeispielen vor. Dieser Abschnitt öffnet den Blick auf die Gegenwart des Gruppenbildes, denn im Zeitalter der Allgegenwart von Fotoapparaten sind dessen Goldene Zeiten vorbei. Wer macht sich noch die Mühe eines sorgfältig arrangierten Aufbaus zur Einschulung, zu Firmenjubiläen, Hochzeiten, Konfirmationen oder sonstigen Anlässen, die eine Menge an Menschen zusammenführt? Das inszenierte Gruppenbild hat vor allem eine Geschichte als wichtiger Zweig der gewerblichen Fotografie – und es hat eine Gegenwart in der Kunst. Das opulente Bilderbuch von Vogel schlägt diesen Bogen elegant und mit Witz. Ein Augenschmaus!

PS Das Buch erschien zu einer Ausstellung zum gleichen Thema, die noch bis August 2012 in Memmingen zu sehen ist.

  • Titel: Soooooooooooo viele!
  • Untertitel: Vom Kreis zur Kolonne, von der Menge zur Masse, vom Schwarm zum Stoßtrupp, von der Famlie zu faceboo. Gruppenfotografien zwischen Standesrepräsentaiton, Vereinsmeierei und Kunstdiskurs
  • Bildautor: diverse
  • Textautor: Fritz Franz Vogel, Joseph Kiermeier-Debre, Rolf A. Meyer, Benedikt Vogel
  • Herausgeber: Fritz Franz Vogel
  • Gestalter: Fritz Franz Vogel
  • Verlag: Edition Lammerhuber
  • Verlagsort: Baden/Wien
  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Sprache: deutsch
  • Format: 31,3 x 30,5 cm
  • Seitenzahl: 264 (plus ungezählte Klapptafeln)
  • Bindung: Englische Broschur
  • Preis: 49 Euro
  • ISBN: 978-3-901753-48-0

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