Das familiäre Fotobuchfestival im dänischen Aarhus erlebte Anfang Oktober seine fünfte Auflage. Das Programm bot wieder eine intensive Auseinandersetzung mit dem Medium Fotobuch in Form von Ausstellungen, Vorträgen, Diskussionen, einem kleinen Büchermarkt und vor allem vielen Möglichkeiten, persönlich ins Gespräch zu kommen.
Gerry Badger war, nach seiner krankheitsbedingten Absage im Vorjahr, gekommen und bot in seinem Eröffnungsvortrag einen kleinen Einblick in seine Arbeit über das politische Fotobuch und in seinem Gespräch mit Kuratorin Anne Elisabeth Toft eine unterhaltsame Kontextualisierung des faszinierenden, vor allem in Büchern manifestierten Werks von Krass Clement. Weitere Themen waren Fotobücher aus den baltischen Staaten und aus Neuseeland, letztere präsentiert von Harvey Benge, der auch einen Workshop zum Konzipieren und Produzieren von Fotobüchern anbot.
Zentrum der Photobookweek (PWA) war und ist die Architekturhochschule in Aarhus. In diesem Jahr bezogen Chefkurator Moritz Neumüller und sein Team andere Institutionen in der Stadt verstärkt mit ein, sodass die Besucher des Festivals am Freitag und Samstag zu kurzen Spaziergängen in das renommierte ARoS Aarhus Art Museum, in die Stadtbibliothek Dokk1, in den Verpan Design Store und in die Fotogalerie Galleri Image motiviert und mitgenommen wurden. Im ARoS waren nicht nur alle Fotobücher von Krass Clement zu sehen, sondern auch eine Auswahl an Künstlerbüchern aus der museumseigenen Bibliothek. Für die Erläuterung der in großen Vitrinen ausgebreiteten Schätze hatte Anne Elisabeth Toft den Spezialisten Lars Morell gewonnen; dessen leidenschaftlichem Vortrag auf Dänisch konnten allerdings nur die dänischen Gäste im Detail folgen.
Neu für die PWA war in diesem Jahr ein eigener Fotobuch-Dummy-Wettbewerb. Die in die Endrunde gekommenen Fotobuchentwürfe waren in der Dokk1 zu sehen. Wiederum drei davon waren in die engere Wahl gekommen; man hatte deren Autoren Stijn van der Linden (B), Jens Schwartz (D) und Kensaku Seki (J) nach Aarhus eingeladen. Am Ende kürte die Jury unter Leitung von Jesper Rasmussen An essay on the concave city corner von Stijn van der Linden zum Gewinner, was bedeutet, dass dieses Buch dank Sponsorenunterstützung durch die Firma Kvadrat nun gedruckt werden wird. Beim Vertrieb werden Idea in den Niederlanden und die neue Plattform Reflektor aus Wien mithelfen, außerdem ist European Photography mit an Bord. Mein Favorit für den Ersten Preis hatte es leider nicht in die Endrunde geschafft (Flowers for Franco von Toni Amengual).
Bei Verpan wurde das aufwändig und hochwertig produzierte Plethora Magazine vorgestellt, ein großformatiges Statement für analoges Publizieren. Die Galleri Image mit ihrer Leiterin Beata Cegielska gehörte zu den Initiatoren der PWA und steuerte in diesem Jahr u.a. eine kleine Sonderpräsentation des Buches und multimedialen Projektes The Migrant von Anaïs López bei.
Es würde hier zu weit führen, alle Programmpunkte der PWA vorzustellen; festzuhalten bleibt, dass kaum ein anderes Festival eine solche Breite an Kompetenz zu bieten hat – und das in einer angenehm unkommerziellen, stressfreien, herzlichen und familiären Atmosphäre. Für diese sorgte nicht zuletzt die reibungslose, umsichtige Organisation von Anne-Sofie Lauritsen und ihres Teams an Freiwilligen, die sogar für herbstlichen Blumenschmuck für die beiden langen Tafeln beim gemeinsamen Dinner gesorgt hatte. Jeder Besucher bekam ein Willkommensgeschenk, keine Frage blieb unbeantwortet und das Motto der PWA: „All exhibitions and talks are free and everyone is welcome“ wurde in allzeit freundlicher Perfektion umgesetzt. Den Kuratoren des Festivals, Beata Cegielska, Moritz Neumüller, Claus Peder Pedersen, Jesper Rasmussen und Anne Elisabeth Toft ist zu wünschen, dass sich diese Mischung aus konzentriertem Arbeiten und entspannter Atmosphäre auch in den nächsten Jahren, bei vermutlich weiter ansteigenden Besucherzahlen, weiterhin entfalten kann. Die PWA wird vielleicht die Exklusivität ihrer Anfangsjahre irgendwann verlieren, sollte sich aber die Qualität und Vielfalt bewahren, die bislang durch das Zusammenarbeiten des aus unterschiedlichen Institutionen und Richtungen kommenden Kuratorenteams garantiert wurde.
alle Fotos: Th. Wiegand