Experiment und Kunst

Floris M. Neusüss und die Fotografie in Kassel

Neusüss

Irgendwann kommt vielleicht jeder einmal an einen Punkt, an dem es geboten scheint, Rückschau zu halten auf das Gelebte und Geleistete. Dies mag nicht nur für den Papst, Film- und Popstars oder Politiker gelten, sondern auch für Künstler, zumal, wenn sie als Hochschullehrer wirkten. Der durch seine Beschäftigung mit dem Fotogramm bekannt gewordene Kunstprofessor Floris M.Neusüss lehrte von 1972 bis 2002 experimentelle Fotografie an der Kunsthochschule Kassel (beläßt man es einmal bei dieser inzwischen institutionalisierten Bezeichnung für einen künstlerischen Fachbereich, der die Tradition der 1777 gegründeten Kunstakademie fortführt und während fast der ganzen Ära Neusüss als Teil einer Gesamthochschule firmierte). Zum Abschied in den Ruhestand gab es eine unter Mitwirkung von Schülern und Wegbegleitern organisierte Retrospektive, die Ende 2002 in der Kunsthalle Erfurt stattfand und ein Jahr später auch in Kassel zu sehen sein sollte. Die Einladungen waren bereits verschickt, doch die Ausstellung wurde, so schrieb es die Heimatzeitung am 4.September 2003, wegen „unüberwindlicher inhaltlicher und organisatorischer Differenzen“ abgesagt. Vorgesehen war die Präsentation von Arbeiten der wichtigsten Schüler und Schülerinnen des Professors sowie ein Querschnitt durch sein eigenes Werk. Eine wichtige Rolle bei den Querelen scheint die geplante Begleitpublikation gespielt zu haben, die inzwischen vorliegt, allerdings nicht mehr in Form eines Kataloges.

Das Buch stellt vor allem eine Bilanz des Schaffens von Neusüss als Hochschullehrer dar. Er hatte das „Fotoforum“ ins Leben gerufen, das durch Ausstellungen und Publikationen viel zur Vermittlung der Fotografie als Facette künstlerischen Schaffens getan hat – und dies über Kassel hinaus. Neusüss fand hier Mitstreiter oder Antipoden wie Klaus Honnef, Herbert Molderings, Rolf Lobeck, Wolfgang Kemp oder Gunter Rambow.

Das Buch trägt einen ohne die Unterzeile mißverständlichen Titel trägt („Kunst und Fotografie“), einen Titel, der speziell für die Neusüss-Situation in Kassel zutreffen mag, aber darüber hinaus sicherlich zu weit gesteckte Erwartungen weckt (Ausnahme: der Beitrag von Herbert Moderings zur Neuerfindung des Fotogramms durch Moholy-Nagy). Als Festschrift ist das Buch eine angemessene Würdigung über Werk und Wirken des emeritierten Professors. Es stellt aber weder die gültige Neusüss-Monographie dar noch eine solche über die Fotografie an der Kunsthochschule Kassel und deren Absolventen. Hier gibt es noch einiges nachzuholen…

  • Titel: Kunst und Fotografie
  • Untertitel: Floris Neusüss und die Kasseler Schule für Experimentelle Fotografie 1972-2002
  • Bildautor: diverse
  • Textautor: Klaus Honnef, Herbert Molderings, Floris M. Neusüss, Thomas Niemeyer u.a.
  • Herausgeber: Renate Heyne
  • Gestalter: 
  • Verlag: Jonas Verlag
  • Verlagsort: Marburg
  • Erscheinungsjahr: 2003
  • Sprache: deutsch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 176
  • Bindung: Hardcover mit Schutzumschlag
  • Preis: 25 Euro
  • ISBN: 3-89445-317-6

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