Geteilter Augenblick

Endlich: die Monographie zum Werk von Hansgert Lambers

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Hansgert Lambers (Jg. 1937) aus Berlin ist den Leserinnen und Lesern unseres Kasseler Blogs als Rezensent von Fotobüchern bekannt, die ihm positiv oder negativ aufgefallen waren. Seit etwa 40 Jahren betreibt er einen auf Fotobücher spezialisierten Verlag und seit seiner Jugendzeit ist er ein leidenschaftlicher Fotograf. Das fotografische Werk ist inzwischen in einigen Büchern dokumentiert, doch eine wirklich umfassende Würdigung stand bislang aus. In Berlin kann es noch bis 7.8.2022 in einer Retrospektive im Haus am Kleistpark besichtigt werden – oder man schaut dazu in das zu diesem Anlass erschienen dicken Band, der unter der Überschrift Verweilter Augenblick steht. Darin versammelt sind Lambers Motive, die er als Flaneur auf den Straßen in Prag, London, Berlin oder Bückeburg gefunden und in blitzschneller Reaktion auf Film gebannt hat. Er zeigt sich damit als ein kompetenter Vertreter der „Street Photography“, einer, sobald Menschen mit abgebildet werden, aufgrund der überbordenden Regelungswut und des Datenschutzes aussterbenden, aber eine lange Tradition aufweisenden Spielart der Fotografie zwischen Kunst und Journalismus. Lambers schafft es nicht nur, dass man als Betrachter in verblüffenden Augenblicken verweilen kann, sondern auch, dass die Konstellationen von Mensch, Architektur, Straße, Automobil, Schaufenster etc. zu sprechen anfangen und das die Betrachter daran teilhaben können. Das hat oft Witz und ist immer unterhaltsam und man fragt sich regelmäßig, wie es der Fotograf überhaupt angestellt hat, diesen entscheidenden Augenblick mit seiner (bis heute) analogen Aufnahmetechnik festzuhalten. Nach Vorbildern frage ich nicht, insgesamt gibt es aber eine spürbare Affinität zur tschechoslowakischen Fotografie mit ihrem Hang zum Surrealismus. Lambers war früher aus beruflichen und ist heute aus privaten Gründen viel unterwegs, vor allem im ehemaligen Ostblock, was dies erklären hilft.

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Zum Buch gäbe es nur zu sagen, dass jede Doppelseite ein Erlebnis ist. Lambers´ geschulter Blick richtete sich dieses Mal nicht kuratierend auf die Arbeiten der von ihm veröffentlichten Fotografen, sondern selbstkritisch auf das eigene Werk seit den 1950er-Jahren bis in die Gegenwart. Dies führte zu einer rundum gelungenen, authentischen Bildstrecke ohne Schwachpunkte. Was fehlt, ist eine Bibliographie seiner Veröffentlichungen als Fotograf und Verleger.

Es wurde Zeit, dass Hansgert mit Ausstellung und Monographie endlich die Aufmerksamkeit zuteil wird, die er schon längst verdient hat. Glückwunsch!

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PS Das Buch erhielt 2023 den Deutschen Fotobuchpreis in Gold!

 

  • Titel: Verweilter Augenblick – Lingering Moment
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Hansgert Lambers
  • Textautor: Irene Bazinger, Ian Jeffrey, Matthias Reichelt
  • Herausgeber: Matthias Reichelt
  • Gestalter: Jürgen W. Lisken
  • Verlag: Fotohof Edition
  • Verlagsort: Salzburg
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: deutsch, englisch
  • Format: 25 × 21,3 cm
  • Seitenzahl: 332
  • Bindung: Illustriertes Hardcover
  • Preis: 34 Euro
  • ISBN: 978-3-903334-40-3

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