Im Bett mit Margret

Chronik einer Besitz ergreifenden Affäre

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Dieses umwerfende Buch ist nicht nur ein Baustein zu einer Geschichte privater Archive, sondern vor allem Dokument einer Obsession, die ihresgleichen sucht. Da hat einer eine Frau bis zur Besessenheit geliebt und alles von ihr gesammelt, dessen er habhaft werden konnte. Zunächst einmal Fotos: Margret schau doch mal her, lächle, ich mache ein Bild von dir. Also stellt oder setzt Margret sich hierhin oder dahin und schaut immer direkt in Günters Kamera, wie es milliardenfach und überall geschieht. Margret ist jung, attraktiv, Mitte 20, trägt das Haar hochtoupiert, sodass sie uns Heutigen viel älter erscheint als sie es war. Margret ist eigentlich mit Lothar verheiratet. Mit Günter, ihrem Chef und Inhaber eines Baubedarfsgeschäfts, hat sie die Affäre. Günther und Lothar kennen einander ebenfalls, Menage à trois im Geiste. Margret, hat eine Twiggy-Figur, posiert im Bad, in der Küche, vor Schrankwänden und Landschaften, Zigarette rauchend, kochend, lachend in neuen Kleidern, in Unterwäsche, nackt. Günter sammelt aber nicht nur Fotos mit ihr, sondern auch allerlei geheime Dinge von ihr. Ihre leeren Anti-Babypillen-Schachteln zum Beispiel, oder er klebt abgeschnittene Fingernägel, Kopf- und Schamhaare auf, sammelt Wundschorf, Hotelrechnungen, Restaurantquittungen, Kassenzettel, Park- und Fahrscheine, einfach alles. Auf Karteikarten notiert er im Telegrammstil gemeinsame Erlebnisse, Reisen, Ausflüge, Kneipenbesuche, verzeichnet den gemeinsamen Geschlechtsverkehr: wie oft wie lange, wie schnell, welche Stellung(en) und Handgriffe. Im Berufsleben ist Margret Günters Sekretärin, während Günter sich in ihrer Beziehung als präziser Sekretär ihrer Privataffäre erweist: Jede Notiz versieht er mit einem Datum, seine Registratur ist perfekt, die Ablage vorbildlich.

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All das lag in einem Koffer, der irgendwo in Köln auf einem Dachboden vergessen wurde, bis ihn jemand fand. Erworben hat ihn der Hamburger Galerist Siegfried Sander, der seit einiger Zeit eine Sammlung mit Privatfotografien aufbaut. In Zusammenarbeit mit der Kölner Galeristin Susanne Zander entstand eine Ausstellung, die 2012 zunächst in Innsbruck, dann in Berlin gezeigt wurde. Das schön gestaltete Buch ist eigentlich der Katalog, als solcher aber untypisch. Denn vor allem ist das Buch ein überraschendes, faszinierendes Tagebuch, Protokoll einer großen Liebe in Fotos, fotografierten Textoriginalen und (einst) privaten Archivalien.

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  • Titel: Margret
  • Untertitel: Chronik einer Affäre Mai 1969 bis Dezember 1970
  • Bildautor: Anonym (Günter K.)
  • Textautor: Veit Loers, Susanne Pfeffer
  • Herausgeber: Kunstraum Innsbruck
  • Gestalter: Silke Fahner, Uwe Koch
  • Verlag: Verlag der Buchhandlung Walther König
  • Verlagsort: Köln
  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Sprache: deutsch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 140
  • Bindung: Engl. Broschur
  • Preis: 28 Euro
  • ISBN: 978-3863352547

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