Keine Experimente

Heinz Noacks Berlin-Fotografien von 1963 und 1964

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Im Spätsommer 1963 begann der Berliner Senatsmitarbeiter Heinz Noack mit systematischem Eifer und beamtenhafter Akribie seine Heimatstadt in Farbe abzulichten. Da macht sich einer plötzlich auf und findet genau das besonders interessant, was er täglich sieht, woran Hunderttausende einfach vorübergehen, weil ihre Umgebung nun mal Teil ihres Lebens ist, und ihr Leben Teil dieser Umgebung oder weil sie sich schlicht mit anderen Sorgen plagen. Hier fühlte sich einer als Zeitzeuge, der die rasanten Veränderungen des im Krieg zerstörten Berlin mit wachen Augen wahrnahm. Warum flammte seine Obsession so plötzlich auf – zwei Jahre nach Errichtung der Mauer und im Jahr des Kennedy-Besuchs – und warum ließ sie dann einfach nach? Wir erfahren es nicht. Vielleicht weil Noack nur ein passionierter Hobbyfotograf war und nie über sich hinauswachsen wollte.

Überall sprossen neue Gebäude aus den Trümmergrundstücken in den geteilten Berliner Himmel. Straßen und Stadtautobahnen wurden gebaut, um den anschwellenden Autoverkehr zu kanalisieren. Aber stets findet Noack auch das „alte Berlin“, Stadthäuser der Jahrhundertwende, Vorortidyllen, niedrige Ladenzeilen, die mittlerweile wohl längst der Abrissbirne zum Opfer gefallen sind und natürlich Kriegsruinen. Immer wieder schiebt sich der „Schutzwall“ mit Mauer, Stacheldraht und Panzersperren ins Bild. Dagegen kann er nichts machen, nur fotografieren. Vielleicht ist das sein stummer Protests gegen den politischen Wahnsinn und gegen das Vergessen.

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Keine fotografischen Experimente, keine gewagten Perspektiven, kein Spiel mit Licht und Schatten, der Himmel ist auf seinen Bildern nie grau, immer blau, die Sonne steht im Rücken. Menschen treten nur zufällig als Passanten in Erscheinung und von Innenaufnahmen sieht er gänzlich ab.

Noack starb 2003. 4000 Bilder hat er seinen Enkeln insgesamt hinterlassen. 1963 und 1964 entstanden rund 1000 Berlin-Aufnahmen. Auf jedem Dia hat er Ort und Datum vermerkt. Davon wurden rund 180 für den kleinformatigen Band ausgewählt, der unsere Sicht auf die Stadt nicht verändert, aber doch bereichert.

  • Titel: Durch die halbe Stadt
  • Untertitel: West-Berlin nach dem Mauerbau
  • Bildautor: Heinz Noack
  • Textautor: Tobias Hellmann
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: Tobias Hellmann
  • Verlag: Edition Braus
  • Verlagsort: Berlin
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: deutsch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 176
  • Bindung: illustriertes Hardcover
  • Preis: 29,95 Euro
  • ISBN: 9783862280544

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