Kritische Landschaft

Die Gemeinsamkeit der Bücher von Olaf Otto Becker, Nadav Kander, Olaf Unverzart und Donovan Wylie ist, im weitesten Sinne, das Thema Landschaft unter besonderen Berücksichtigung menschlicher Eingriffe.

Donovan Wylie schließt seine Trilogie über Militärarchitektur mit einer Reflexion über Radarstationen im eisigen Norden Kanadas mit dem dritten Einzelband und zugleich mit einem Sammelband (Tower Series, 2014) ab. Zuvor erschienen Outposts (2011, Afghanistan) und British Watchtowers (2007, Nordirland). In ihrer farblichen Dominante entsprechend sie den Ländern, in denen die Objekte aufgesucht wurden: weiß, beige und grün. Die Wachtürme haben jeweils militärische Funktionen, man muss aber sehr genau hinschauen, um die Bauten in der Landschaft auf den Hügeln und Bergspitzen überhaupt wahrnehmen zu können. Wylie bleibt auf Distanz zu den Einrichtungen und reflektiert damit ihre dezente Allgegenwart.

Nadav Kander suchte Sperrgebiete auf, in denen die UdSSR Atomwaffentests durchgeführt hat. Der Künstler setzte sich selbst gesundheitlichen Risiken aus, um in der kasachischen Einöde oder am Aralsee Fotos machen zu können, wie sie in seinem neuen Buch vereinigt sind. Leere Landschaften und verlassene Gebäude wechseln sich ab, Kunst am Bau zeigt Kosmonauten-Propaganda für eine bessere Zukunft. Geraffte Vorhänge karikieren den (unsichtbaren) radioaktiven Fallout, eine verbeulte Dachrinne kontrastiert die Rakete auf dem Denkmalsockel. Das mit düsteren Vorsätzen ausgestattete, ansonsten schlicht gestaltete Buch lebt von der Ästhetik der Einzelbilder, die durch die Information, wo sie aufgenommen wurden, kritisch aufgeladen werden.

Olaf Otto Becker zeigt die Domestizierung der Natur in drei Schritten: eindrucksvoll wilden Urwald (Malaysia, Indonesien, Kalifornien), dann dessen Abholzung und Vernichtung (Indonesien, Australien, Bolivien) und schließlich Urbanität mit Grün (Singapur, mit einem vielleicht ironisch gemeinten Schlussbild einer Bank vor Kakteenkulisse im botanischen Garten München). Beckers fotografische Meisterschaft ist unbestritten, warum allerdings der hohe Aufwand dieser Buchproduktion betrieben wurde, um die alte Geschichte vom Eingriff des Menschen in das Paradies so eindimensional zu illustrieren, bleibt ein Rätsel.

Olaf Unverzart war lange unterwegs, um in den Alpen ein ernüchterndes Bild abzuringen: Straßen, Galerien und Tunnel, Erosionsschäden, Lawinenschutz, verlassene Höfe, Hotelzumutungen, viel Beton, aber auch unnahbare Berggipfel und die „6 ungelösten Rätsel des Alpinismus“ in Gestalt von düsteren, erst vor gut einem Menschenalter „bezwungenen“ Nordwänden von Eiger oder Matterhorn. Das Buch wurde von Andreas Töpfer in einem raffinierten Parcours und mit augenzwinkernd bergauf gerichteten typograpfischen Elementen gestaltet; Texte hätte es nicht gebraucht und das Vorzeigen der Ausrüstung, die der Fotograf auf die Berge geschleppt hat, passt gut in das „Making-of“ im Verlagsblog, im eigentlich lakonisch gestimmten Buch ist aber der (zu deutliche!) Verweis auf alpinistischen Heroismus überflüssig. Geht es um das oft traurige Bild des Gebirges oder um die Mühen, es zu gewinnen? Alle Berge sind bestiegen, alle Einödhöfe sind von Straßen erreichbar, umso weiter die Eingriffe in das Ökosystem gehen, desto größer werden die Erosionsgefahren und umso höher werden die Schutzbauwerke. Ob der Mensch obsiegt hat, bleibt unangenehm zweifelhaft. Hätte man nur die ein- und ausleitenden Essays weggelassen!

Die Landschaft hat ihre Unschuld verloren. Überwachung, Waffentestgebiet, Beton, Abholzung. Einfach nur schöne Bilder zu machen, geht schon lange nicht mehr. Die vier vorgestellten Bücher zeigen das auf ihre Weise und in unterschiedlichen Ausprägungen von Subtilität.