Lissabon mit Verspätung

In der DDR erschienen erstaunliche viele Fotobücher über Länder, die für den Normalbürger nicht erreichbar waren. Ein Buch über Lissabon für den auf Reiseliteratur spezialisierten Leipziger VEB E. A. Brockhaus Verlag blieb 1987/88 Projekt, denn die „Wende“ kam der Realisierung zuvor und plötzlich war für solcherart Sehnsuchtsliteratur kein Markt mehr da. Ein Teil der Bilder des Ehepaars Ute und Werner Mahler wurde nunmehr doch noch veröffentlicht, angereichert mit zwei Texten von Wolfgang Kil, der schon damals als Schreiber verpflichtet worden war. Sein erster Beitrag handelt (als Nachwort) von den Planungen des Verlags und den Schwierigkeiten der Realisierung, der zweite wurde bereits 1990 publiziert und zieht Parallelen zwischen dem damaligen Portugal und den Tendenzen, die sich nach dem Fall der Mauer für die DDR abzeichneten.

Die entstandenen Farbaufnahmen von Baudenkmalen und Sehenswürdigkeiten wurden weggelassen, übrig blieben die schwarzweißen, beim Flanieren durch die Straßen eingefangenen Impressionen, die ein atmosphärisches Bild vom Leben in Portugals Hauptstadt vermitteln sollten. Das Buch wurde in einem bescheidenen Format auf dünnes Papier gedruckt und in flexibles Leinen gebunden, was ein wenig den provisorischen Charakter andeutet. Um zu erfahren, wie sich die Sicht auf das historische Bildmaterial und der Veröffentlichungskontext verändert hat, wäre es reizvoll, das heutige Buch mit dem Entwurf von damals (sofern noch erhalten) bzw. mit tatsächlich in der DDR in den 1980er-Jahren erschienenen Reisebildbänden in Beziehung zu setzen.*

* Beispielsweise: Gerald Große, Wien, 1983; Karol Kallay, Los Angeles, 1984; Arno Fischer, New York, 1988; Karol Kallay, Peking, 1989; Thomas Billhardt, China, 1989; Ulrich Windoffer, Amsterdam, 1989; New York: Verlag Volk und Welt, Berlin, alle anderen: VEB F. A. Brockhaus, Leipzig.