Man bräuchte einen Ständer…

Wir geben gerne zu, dass wir dieses Buch nie in den Händen gehalten haben. Wie auch? Es wiegt nicht weniger als 19 Kilo! Damit der 28 mal 60 Zentimeter große Foliant nicht untragbar ist, bekommt man einen schwarzen Lederkoffer dazu. Sehr aufmerksam! Leichter wird`s damit aber auch nicht.

Die Schwarte versammelt auf 720 Seiten 625 nackte Tatsachen, nämlich sämtliche amerikanischen Plaboy-Centerfolds von 1953 bis Dezember 2006. Die Devise lautet – wie der Schirmer/Mosel-Verlag vollmundig mitteilt „Bigger is better“. Der Inhalt des „prall gefüllten Koffers“ (Verlagswerbung) zielt auf die erogene Zone des Mannes. Aber ach, dem wird nichts mehr prall, hat er sich mit all den Nackedeis abgeschleppt. Mann bräuchte für „die erotische Supernova der Saison“ einen Ständer, bekäme aber keinen. Er wird eher froh darüber, keinen Bandscheibenschaden erlitten zu haben – vor Erschöpfung einschlafen.

„Pinup-Poster und Erotikmagazin sind zu einer Einheit geworden, in der sich der verspielte Exhibitionismus weiblicher Schönheit, die erotische Photographie und das voyeuristische Begehren des Betrachters auf einzigartige Weise verbinden“. Wer solchen PR-Quark textet, gehört mit Tantalusqualen bestraft und, den 19-Kilo-„Beauty Case“ auf den Rücken geschnallt, den Watzmann hinaufgejagt.

Das Buch steht symptomatisch für die Verwandlung des Hauses Schirmer/Mosel vom angesehenen Kunst- und Fotobuchverlag, immerhin der verlegerischen Heimat der Bechers und deren Schülern, in ein Recyclingunternehmen. Außer Aufgüssen und Neuauflagen von Pirelli-Kalendern, Playboy-Centerfolds und anderen Nuditäten fällt den Münchenern nichts Zündendes mehr ein. Und weil das so ist, und die „Bombshell Beauties“ bereits von anderen (etwa dem Taschen-Verlag) zwischen Buchdeckel gepresst wurden, macht man das Ganze eben fett, schwer, exklusiv und teuer. Die Kofferedition kommt weltweit in 5000 Exemplaren auf den Markt und kostet 398 Euro. Willkommen im Playboy-Club der Neureichen! Wer sich das nicht leistet kann, darf immerhin auf die unlimitierte, vergleichsweise federleichte „Medium-Version“ zurückgreifen: Vier Kilo zum Sonderpreis von nur 58 Euro. Rührend, eine wahre Großtat für Arme und Schwache!

Übrigens: Angeblich konnte der Verlag 500 Exemplare der XXL-Deluxe-Version für den „deutschen Sprachraum“ sichern. Danke, Herr Schirmer! Wie haben sie das nur geschafft? Wir werden sofort, halt: erst am 15. Oktober, dem Erstverkaufstag, in die nächste Buchhandlung stürzen in der Hoffnung, eines der so überaus seltenen Exemplare dieses „verlegerischen Großereignisses“ zu ergattern. Ja, und dann werden wir den schwarzen Koffer nicht öffnen, sondern diesen vielmehr im Tresor wegschließen. Nach 20 Jahren Lagerzeit werden wir das „gewichtigste Fotobuch der kommenden Herbstsaison“ mit seinen 625 nackten Damen für mindestens 10.000 Euro verscherbeln. Hoch lebe der Büchermarkt!