Manche lachen, keiner weint

Eine Bilanz in Porträts

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Ich bin von der vor mir liegenden Aufgabe gleich zweimal persönlich betroffen: Es gilt, das neue Buch eines Freundes und Mitstreiters vorzustellen, in dem ich auch noch selbst vorkomme. Geht eigentlich gar nicht, aber ich versuche es trotzdem.

Hansgert Lambers (Jg. 1937) wollte eigentlich Fotograf werden, entschied sich dann aber zu einem Ingenieurstudium, war bis zum (frühestmöglichen) Ruhestand für einen Weltkonzern tätig und betreute Käufer und Nutzer von Großcomputern vor allem in Osteuropa. 1986 gründete er einen eigenen Verlag für Fotobücher. Mit Eintritt in den Ruhestand wandte er sich ganz der Fotografie zu, fotografierte, schrieb, kritisierte, publizierte Fotoarbeiten, die ihm selbst gefielen und hin und wieder auch Eigenes. Hansgert fotografiert seit seiner Jugendzeit. Neulich, bei mir zu Besuch in Kassel, zückte er plötzlich seine analoge Leica und machte ein Bild von mir. Es irritiert mich immer wieder aufs Neue, wenn eine Kamera auf mich gerichtet wird, aber gut, ich verhielt mich irgendwie und vergaß die blitzschnelle Fotoaktion schnell wieder. Inzwischen weiß ich, warum er das Foto gemacht hat.

Vilém Reichmann 1981

Vilém Reichmann 1981

Christian Borchert, 1985

Christian Borchert, 1985

Ein paar Wochen später erreichte mich ein Päckchen des ex pose verlages mit einem Buch, das nicht angekündigt war und das ich nicht bestellt hatte. Hansgert hat in seinem neuen Werk Porträts aus sechs Jahrzehnten versammelt, angefangen mit der eigenen Großmutter 1952 und aufgehört mit den jüngsten Bildern aus dem vorigen Jahr. Dokumentiert sind Begegnungen mit Stars (David Goldblatt, Martin Parr, Viktor Kolář, Jindřich Štreit, Vilém Reichmann …), mit Künstlerfreunden aus Ostrava, mit west- und ostdeutschen Fotografenkollegen (Sibylle Bergemann, Christian Borchert, Arno Fischer, Joachim Richau, Amin El Dib, Ingrid Hartmetz, Karl-Ludwig Lange, Dietrich Oltmanns …) und mit Freunden und Bekannten aus aller Welt. Es gibt keine anonymen Bilder, die Reihenfolge ist streng chronologisch. Die Porträtarbeit folgte keinem Konzept wie dem von Andreas Mader, der immer wieder die gleichen Personen vor die Kamera holt(e), oder von Nicholas Nixon, der über Jahrzehnte vier Schwestern mit der Kamera begleitet hat. Nein, immer wenn Gelegenheit war, machte Hansgert ein Bild, zur Erinnerung, vorerst ohne Absicht, daraus ein Buch zu machen. Es sind treffende Porträts, nicht despektierlich, nicht verherrlichend, nicht peinlich, selbst wenn der Fotograf um einen kurzen Augenblick des Innehaltens gebeten hatte, wirken seine Bilder nie inszeniert und gestellt. Nur ganz wenige Personen kommen zweimal oder öfters vor wie seine Monika, was bedeutet, dass sie eine bedeutende Konstante in Hansgerts Leben war und ist.

Sylvia Plachy, 2013

Sylvia Plachy, 2013

Amin El Dib, 2017

Amin El Dib, 2017

Das Buch, das sich Hansgert jetzt für sich und seine Freunde in kleiner Auflage gegönnt hat, hat einen passenden Einband – der Rücken des fadengehefteten Buchblocks ist offen, das Buch lässt sich damit sehr gut öffnen und betrachten. Der Einband besteht vor und hinten aus je zwei mit Bildern bedruckten Kartons, außen vorn ein Bild des jungen Hansgert, der 1957 ein Berliner Fenster geöffnet hat und hinaus schaut, hinten ein aktuelles Selbstporträt, nur ein halber Kopf, ein Rückblick. Auf dem inneren Umschlagkarton sind zwei Eisenbahnimpressionen zu finden, die dezent andeuten, dass der Zug des Lebens immer weiter fährt.

Hansgert ist ein perfektes Fotobuch gelungen, das gestalterisch auf der Höhe der Zeit ist und eine konsequente, die Mitwirkung des Betrachters erfordernde Lösung für querformatige Abbildungen in einem hochformatigen Satzspiegel demonstriert, das treffende Bildnisse enthält und mich als Bilanz und Memento Mori persönlich berührt. Ich bin mir sicher, dass dies auch diejenigen spüren werden, die Hansgert nicht für seine Lebenssammlung verewigt hat.

Hansgert Lambers, 2017 (Rückseite des Covers)

  • Titel: manche lachen keiner weint
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Hansgert Lambers
  • Textautor: Hansgert Lambers
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: Hansgert Lambers mit Christine Bokelmann
  • Verlag: ex pose verlag
  • Verlagsort: Berlin
  • Erscheinungsjahr: 2019
  • Sprache: deutsch
  • Format: 24 x 17 cm
  • Seitenzahl: 320
  • Bindung: Offenrückenbroschur
  • Preis: 47 Euro
  • ISBN: 978-3-925935-80-0

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