Matthias Hoch # 2005

Klaustrophobische Urbanität

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Matthias Hoch ist wahrlich kein Romantiker. Urbane Strukturen – Architekturen, Verkehrsflächen, Begleitgrün – werden von ihm gnadenlos in ihrer Banalität und Schäbigkeit herauspräpariert. Und das in einer eleganten, äußerst ansprechenden Ästhetik. Das ist kein Widerspruch, sondern harte Arbeit: das Licht muss stimmen, störende Elemente wie parkende Autos müssen verschwunden sein, der ideale Standpunkt muss gefunden und zugänglich gemacht werden. Hochs klaustrophobisch eng komponierten, fast immer horizontlosen, farbigen, in Ausstellungen großformatigen Stillleben sind rar, weil der Autor sehr genau und kritisch auswählt, was er für zeigenswert hält und was nicht.

Matthias Hochs Fotoarbeiten tragen Namen, die aus einer Ortsbezeichnung und einer Nummer besteht: Ravensburg #22 zum Beispiel. Aber es muss nicht Ravensburg, Altenburg oder Leipzig sein, es darf auch Brüssel, Rom oder Rotterdam sein, denn Hoch findet seine Motive überall. Die Bilder könnten also auch Kassel #3 oder Timbuktu # 78 heißen, doch geht es dem Künstler nicht um konkret bestimmbare Motive mit Wiedererkennungswert. Es geht Hoch allein um die Spuren menschlichen umweltgestalterischen Handelns, übersetzt in eine universell verständliche fotografische Bildsprache.

Bei aller Nüchternheit der Kompositionen blitzt zuweilen sogar Ironie auf, wenn irgendwelche Störungen die sorgsam designten Strukturen aus dem Gleichgewicht zu kippen drohen: überteertes Pflaster (Ravensburg # 24), Fabrikmarken auf Betonelementen (Ravensburg # 22), von Glasfenstern ausgesperrte Palmwedel (Rom # 13), Neonröhren hinter einer Fensterfront (Brüssel #6). In einigen Fällen sind die von Hoch aufgespürten und fotografierten Motive derartig grotesk und wunderlich strukturiert, dass einem jedes befreiende Lachen über die surrealen Szenerien im Halse stecken bleibt (Tel Aviv #2, Rotterdam #10, Frankfurt am Main #4). Insgesamt lässt Hoch die Trostlosigkeit der glänzend aufpolierten Moderne aus Leichtmetall und Beton überwiegen.

Monsieur Hulot hätte sicherlich seine Freude daran gehabt, Motivbürokratiken, wie sie Hoch gegenüberstanden, aufzumischen und mit einem menschlichen Touch zu versehen… Die Filmfigur Hulot war eine Möglichkeit, um künstlerisch auf die optischen Grausamkeiten modernen Bauens und Gestaltens zu reagieren. Matthias Hoch geht mit seinen Fotoarbeiten einen anderen Weg – und kommt auch zum Ziel.

  • Titel: Fotografien - Photographs
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Matthias Hoch
  • Textautor: Harald Kunde, Thomas Seelig, Sabine Maria Kunde
  • Herausgeber: Jutta Penndorf
  • Gestalter: 
  • Verlag: Hatje Cantz
  • Verlagsort: Ostfildern
  • Erscheinungsjahr: 2005
  • Sprache: deutsch, englisch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 136
  • Bindung: Hardcover mit Schutzumschlag und Bauchbinde
  • Preis: 39,80 Euro
  • ISBN: 3775715932

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