Neu gesehen

Das Städel Museum in Frankfurt verfügt durch Stiftungen und Zukäufe seit einiger Zeit über eine große Sammlung von Fotos bzw. Fotokunst. Nachdem man mit Kristina Lemke eine Kuratorin engagiert hatte, ließ deren Einstand nicht lange auf sich warten: Eine weitgehend aus eigenen Beständen zusammengestellte, noch bis 24.10.2021 laufende Ausstellung, deren Schwerpunkt das Neue im Neuen Sehen der Bauhauszeit ausmacht. Wobei diese Zeit in gestalterischer Hinsicht durchaus nicht 1933 endet, sondern sich einzelne Fotografen und Fotografinnen auch danach noch den Idealen der Moderne verpflichtet zeigten. Zum Beispiel Karl Theodor Gremmler (1909-1941), dessen Name bislang nur Spezialisten bekannt war und dessen Engagement in der Werbung für die Fischwirtschaft in dem Fotobuch Männer am Netz (1939) gipfelte.

Zur Ausstellung im Städel erschien ein Katalog, in dem alle 107 Exponate auf je einer Seite dokumentiert sind. Die Gliederung erfolgte in die Kapitel Ausbildung, Presse, Formen, Bildnis, Werbung, Industrie und Propaganda, wobei jeder Abschnitt von einem fachkundigen, auf aktuellen Forschungen basierenden, mit Anmerkungen ausgestatteten Essay eingeleitet wird. So hat Patrick Rössler illustrierte Zeitschriften aus den Jahren 1926-1932 ausgewertet, in dem Beitrag von Jens Bove zur Industriefotografie steckt vor allem eine Würdigung von Gremmler. Es folgen Kurzbiographien der Fotografen und an den Schluss wurden die englischen Übersetzungen der Texte ausgelagert. Die Essays beruhen auf Vorträgen, die auf einem Symposium im September 2020 gehalten wurden. In der gedruckten Fassung sind sie sparsam, aber passend illustriert mit Vergleichsbildern sowie Reproduktionen aus Zeitschriften und Büchern.

Das Buch ist mit seinem neu gesehenen Bildmaterial und den knappen Texten ein perfekter Einstieg in die Materie. Wer weiter sehen, lesen und forschen möchte, erhält über die Ausstellung hinaus reichlich Anstöße.