New Topgraphics im Ruhrgebiet

Joachim Schumacher (* 1950) gehört zu den großen Unbekannten in der deutschen Fotografie. Seit Jahrzehnten dokumentiert er den Wandel des Ruhrgebietes, ist immer wieder in Publikationen und Ausstellungen vertreten, hat aber noch nie eine zusammenfassende Monografie seiner von den „New Topographics“ beeinflussten Schwarzweißfotos realisieren können. Mit dem Buch Das Gebiet hat sich das – endlich – geändert. Schumacher gehört zu denjenigen Fotografen, die ein Motiv sehr genau analysieren und akribisch den Kamerastandort und die Perspektive prüfen, bevor sie auf den Auslöser drücken. Daher gibt es selbst in banalsten Straßenszenen und Ausblicken auf ödeste Landschaften viel zu entdecken. Schumacher verdichtet Architektur und Topographie zu beeindruckenden, in feinsten Grauwerten realisierten Kompositionen zum Thema Kulturlandschaft, denn im Ruhrgebiet ist nicht mehr viel natürlich. Er fotografierte die Ecken, die sonst niemand fotografieren würde, denn gerade dort, wo schlechte Architektur und zersiedelte Landschaft dominieren, kommt der Charakter der Region besonders gut zum Ausdruck. Zuweilen sind auch die Bewohner ganz klein mit im Bild, Kinder an einer Ecke, Kunden an einer Trinkhalle, Passanten auf der Straße, Hobbygärtner vor der Kühlturmfassade. Das erinnert an die Figuren in romantischer Landschaft, gibt den menschlichen Maßstab und mahnt an die Endlichkeit alles Tuns. Viele Motive der von Schumacher zwischen 1976 und 1994 aufgenommenen Fotos sind längst schon wieder Geschichte, weil untergegangen, zugebaut, verändert und umgestaltet. Die Bilder sind in die drei Kapitel „Das Gebiet“, „Von dieser Welt“ und „Langer Atem“ eingeteilt, was man vielleicht auch mit Tradition, Neubau, Wandel übersetzen könnte.

Das Buch hat eine perfekte Einbandgestaltung mit einem im Grau verschwindenden Motiv. Eine im Anhang zu findende Biographie des Fotografen ist durchsetzt mit Statements, in denen Schumacher selbst Auskunft zu den Stationen seines Lebens gibt. Was ich an dem Buch nicht wirklich verstehe, ist der Rhythmus, in dem für die Abbildungen ein größeres oder kleineres Format gewählt wurde und auch die Verteilung von ein oder zwei Aufnahmen auf jeder Doppelseite leuchtet mir – als Ortsfremden – nicht als zwingend ein. Es mag aber innere Bezüge geben. Ansonsten gilt: Schumachers Bilder sind einfach grandios.