Stiller Protest

Die Bewältigung der Klimakrise bräuchte eine Abkehr von den traditionellen Energielieferanten wie der Kohle. Dass trotzdem noch immer Kohle verheizt wird, ist ein politischer Skandal, Dokument für die ungerührte Weiter-So-Mentalität der Verantwortlichen. Der Fotograf Matthias Jung (* 1967) hat sich des Themas auf subtile Weise angenommen und kein schnell und billig produziertes Protestbuch geschaffen, wie es vor drei, vier Jahrzehnten en vogue war, sondern hat über zehn Jahre Vorgänge im rheinischen Braunkohlenrevier mit der Kamera begleitet, von denen man denken sollte, dass sie schon lange nicht mehr zeitgemäß sind. Um an die Kohle zu gelangen, wurden Kirchen entweiht und abgerissen, ganze Orte verschwanden ebenso wie Felder und Wälder. Jung vermied weder Blicke in Tagebaulöcher noch die bildjournalistische Begleitung von Protestaktionen. Seine große Stärke sind stille, wohlkomponierte Bilder von Architektur und Menschen, die im fein austarierten Zusammenhang ihre Wirkung entfalten und den Betrachter mit vielen Fragen nach dem Warum entlassen. Die aus Bildern zu wiederkehrenden Einzelthemen (Bewohner, Abbruch, Protest, Protestierende, Tagebaulandschaften etc.) komponierte Sequenz enthält einige „sprechende“ Kontraste, die beim Umblättern entstehen und nicht durch direkte Gegenüberstellung auf Doppelseiten.

Die Foto für Foto eindrucksvolle Bildstrecke wird von einem (verzichtbaren) Insert unterbrochen, das, wie auch die Texte, auf eine andere Papiersorte gedruckt wurde und damit leicht auffindbar ist. Es enthält freigestellte Fotos von Objekten, die in Zusammenhang mit den Braunkohlentagebauen stehen: archäologische Fundstücke, heimatlose Reliquien, zurückgelassene Dokumente, kitschige Memorabilien, ein Glas eingekochte Bohnen aus einem Abrisshaus und ähnliches. Wer noch näher an das Geschehen herankommen möchte, liest die nüchtern protokollierenden Erläuterungstexte zu der eigentlichen Bildserie, die im abschließenden Bildindex zu finden sind.