Wir bauen uns einen Wald

Das dicke graue Buch ist eigentlich ein Verkaufskatalog. Angeboten werden Daten von Baumbildern. Bäume wurden zu allen Jahreszeiten tags und nachts fotografiert und dann am Bildschirm freigestellt, damit Architekten, Stadtplaner und vielleicht auch Künstler die Bäume in ihre digitalen Bilder einfügen können. Das klingt ziemlich schräg und man fragt sich, ob es dafür wirklich einen Markt gibt. Jedenfalls gab es den schon früher, als man Modelle noch ganz analog aus Pappe und Schaumstoff bastelte und Bäumchen aus dem Modelleisenbahnzubehörgeschäft aufstellte, um der Architektur einen versöhnlich grünen Rahmen oder Maßstab zu geben.

Der Forst Catalogue steht jedenfalls für den, der bereit ist, 299 € für die Daten und Rechte zu investieren, als Download zur Verfügung. Für Besitzer des Buches gibt es sogar Rabatt. Die Bäume wurden alle in Berlin zwischen 2009 und 2014 fotografiert. Berlin ist groß und so hat das Designbüro Neubau eine kuriose Methode zur Auswahl der Bäume verwendet, nämlich den Namen „neubau“ irgendwie auf einen Stadtplan projiziert und so die Stellen festgelegt, die von den Fotografen auf der Suche nach Stadtgrün angesteuert wurden. Klingt nach Konzept, ist aber nur eine Spielerei. Irgendwie musste man ja eine Auswahl treffen. Wie sieht nun das Buch aus? Zunächst einmal ist es nobel produziert: Druckqualität, Wechsel der drei (umweltschonend!) FSC-zertifizierten Papiersorten von matt auf glänzend und zurück, Bindung und Aufschlagverhalten, Layout: alles bestens. Kein Vergleich mit dem lappigen Quelle-Katalog von früher. Aber wie bei Quelle haben alle Bilder eine Bestellnummer, um die Dateien wiederfinden zu können. Das Buch enthält freigestellte Baumsilhouetten, waldartige Montagen, Rindenstrukturen sowie Hilfsdateien zur Vermittlung eines optischen Eindrucks und der technischen und gestalterischen Möglichkeiten. Auf mancher Doppelseite beginnen die Bäume sogar, einen Reigen zu tanzen… Ernüchternd ist das Schlusskapitel mit ziemlich banalen Fotos der Standorte der Motive. Hier sieht man die filigranen Kronen hochstämmiger Baumindividuen an den originalen Schauplätzen ihres Kampfs gegen parkende Autos, versiegelte Böden, Baustellen und was sonst noch das Leben eines Großstadtbaums begrenzt. Ein paar baumfreie oder gar natürlichen Bewuchs zeigende Aufnahmen vom Tempelhofer Flugplatz deuten an, dass weiterhin Planungsbedarf besteht.

Stadtbäume gehörten schon immer zur Verfügungsmasse des Planers: schön grün, aber wenn sie stören oder zu groß werden, kommen sie weg. Prima, dass das Büro Neubau einigen Berliner Grünelementen jetzt etwas mehr Dauerhaftigkeit verliehen hat, zumindest solange, wie die Dateien technisch lesbar sind und wie gewünscht eingesetzt werden. Das gedruckte Buch wird ohnehin bleiben und dem Streben des Menschen, sich die Natur untertan zu machen, ein Denkmal setzen. So gesehen nicht nur ein Design- und Kommerzobjekt, sondern auch ein doppelbödiges und deshalb gutes Fotobuch.