Zwischen Banalität und Nostalgie – der BND-Standort Pullach

Andreas Magdanz fotografiert den Bundesnachrichtendienst

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Es besteht eine seltsame Diskrepanz zwischen den jüngsten Skandalen des Bundesnachrichtendienstes und dem neuesten Fotoband von Andreas Magdanz. Magdanz’ Arbeit über den BND erschien just in dem Moment, als die üble Affäre um illegale Abhöraktionen von Journalisten und die geheime Verschleppung des Deutsch-Libanesen Khaled El Masri bekannt wurden. Das dürfte wohl Zufall sein. Wüssten wir nichts von diesen Ungeheuerlichkeiten und versuchten wir allein, anhand von Magdanz’ Foto-Serie eine Vorstellung vom „Standort Pullach“ (so der Titel des großformatigen Bandes) zu erhalten, könnte wir glatt den Eindruck gewinnen, der BND sei in einen tiefen Schlummer der Selbstgerechtigkeit gefallen.

Kein Geheimdienst lässt sich in die Karten gucken. Magdanz wandte sich 2003 erstmals mit seinem Anliegen an die Stabsspitze des BND. Erst 2005 erhielt er – nach langwierigen Kontrollen – Zutritt zu dem Gelände. Seine Referenz war das im Jahr 2000 erschienene Buchprojekt „Dienststelle Marienthal“ über den ehemaligen Regierungsbunker der Bundesrepublik Deutschland. Im Herbst 2005 durfte Magdanz nach einer langwierigen Sicherheitsüberprüfung schließlich das von einer hohen Mauer gesicherte Gelände betreten. Er konnte sich – stets begleitet von einem Beamten – (relativ) frei bewegen und hatte Zugang zu allen Gebäuden. Lediglich die Bediensteten durfte er nicht fotografieren. Somit haben wir es per se nur mit der halben Wirklichkeit zu tun. Die Abwesenheit allen Personals, allen Lebens und damit aller Betriebsamkeit erweckt den Eindruck der absoluten Verlassenheit. Das ganze Areal wirkt in diesem Buch wie ein Geisterdorf nach einem Super-GAU, woran auch die eingeschalteten Computer im „Leitstand Rechenzentrum“ nichts ändern.

Der aus der sagenumwobenen Geheimorganisation Gehlen hervorgegangene BND ist – so scheint es hier – eine von einer Mauer umgebene Ansammlung von Häusern mit vergitterten Fenstern langen schmucklosen Fluren, wie man sie von Krankenhäusern und Sozialämtern her kennt, und zweckmäßig eingerichteten Büros. Geradezu putzig die hinter einer Krawatte versteckte Minox oder die Handtasche mit der eingebauten Robot-Kamera. Das erinnert eher an den Mief der Stasi als an einen modernen Geheimdienst. Dieses Image des Banalen, der Belanglosigkeit und der Charme des Harmlos-Nostalgischen ist gefährlich, denn es verschleiert den Blick auf die Realitäten, was allerdings ganz im Sinne des BND sein dürfte.

Lügen Magdanz’ Bilder? Nein. Aber sie verbleiben an der Oberfläche des rein Ästhetischen. Mehr ist dem fotografischen Auge nicht zugänglich und ist nicht zu erwarten. Presse und parlamentarische Kontrollgremien müssen das „Wächteramt“ übernehmen, die (Dokumentar-)Fotografie kommt an ihre Grenzen.

Der BND hat dem Band übrigens ein autorisiertes Vorwort beigesteuert, worin seine Geschichte und Aufgaben skizziert werden. Zu den aktuellen Themen und Tätigkeitsfeldern werden nicht zuletzt „die Unterstützung und Befreiung deutscher Staatsbürger, die im Ausland Opfer von Entführungen wurden“, gezählt. Eingedenk der Verschleppung El Masris durch den BND nach Afghanistan ist das geradezu ein Hohn.

 

  • Titel: BND - Standort Pullach
  • Untertitel: 
  • Bildautor:  Andreas Magdanz
  • Textautor: Christoph Schaden
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: Andreas Magdanz
  • Verlag: 
  • Verlagsort: Köln
  • Erscheinungsjahr: 2006
  • Sprache: deutsch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 192
  • Bindung: Hardcover
  • Preis: 55 Euro
  • ISBN: 3832176802

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