Dass sich die Überschwemmungskatastrophe im Ahrtal vom Juli 2021 in Fotobüchern niederschlagen würde, war zu erwarten. Ein ambitioniertes Projekt war das des DOCKS Collectives (= Aliona Kardash, Arne Piepke, Ingmar Björn Nolting, Maximilian Mann und Fabian Ritter). Sie waren sofort nach der Flut vor Ort und kamen im folgenden Jahr immer wieder zum fotografieren. Das Ergebnis liegt nun vor, ein eher kleines, mit einem schlammbraun-schlierigen Einband versehenes Buch mit offenem Rücken und einer eigenwilligen Anmutung. Die Aufnahmen präsentieren Orte und Menschen abseits der bekannten Nachrichtenbilder, freilich in gewöhnungsbedürftiger Optik, denn die Aufnahmen sind im Druck fahl und unbrillant wiedergegeben, sicherlich kein Versäumnis des Druckers, sonders eine bewusste und riskante Entscheidung des Gestalterteams. Die Bilder wirken nun in ihrer Farbigkeit entsättigt, so, wie die Topographie vor Ort mit einer Schlammschicht überzogen war. Zudem fragt man sich, warum man nicht die Möglichkeiten der weichen Bindung für mehr Doppelseitenformate genutzt hat statt zu kleine Querformate in die obere Hälfte von hochformatigen Seiten zu quetschen.
Eingeleitet wird das Buch von Screenshots, die am 14.7.2021 aus Polizeihubschraubern gemacht wurden (und die seinerzeit nicht für schnellere Hilfsentscheidungen ausgewertet wurden). Das erste DOCKS-Bild ist ein verschlammtes Spielzeugschiff, das 83. und letzte Bild zeigt eine Menschenkette, die sich ein Jahr später zum Gedenken an die Flutopfer formierte. Dazwischen sind Aufräumungsarbeiten zu sehen, das Bemühen um die Wiederherstellung von Normalität ist spürbar, die aber auch Monate später für viele Menschen aus dem Ahrtal noch nicht erreicht ist. Die insgesamt recht brave Bildstrecke wird hin und wieder durch kurze Augenzeugenberichte unterbrochen, die in (gefühlt) 32 Punkt Schriftgröße gesetzt wurde (warum?). Kompakt am Ende stehen die Bildlegenden einschließlich Datierungen, den Abschluss bildet ein Nachwort des Fotografenkollektives, das auf die namentliche Zuordnung der Bilder verzichtet hat.
Am Ende des einen Jahres entlang der Ufer steht also ein überraschend langweiliges, obwohl (oder weil) gestalterisch deutlich auf die Katastrophe abgestimmtes Buch. Werden sich die Ahrtaler das Buch in den Schrank ihrer wiederaufgebauten Häuser stellen? Wird es als Anklage gegen den längst weltweit wütenden Klimawandel und die träge Politik taugen? Ersteres vielleicht, letzteres sicher nicht, denn die Kollektivarbeit wirkt müde wie die Helfer nach zwei Wochen Schlamm schippen.
- Titel: Ein Jahr entlang der Ufer
- Untertitel:
- Bildautor: DOCKS Collektive
- Textautor: (diverse)
- Herausgeber:
- Gestalter: Lea Szramek, Aurélien Guillery
- Verlag: Verlag Kettler
- Verlagsort: Dortmund
- Erscheinungsjahr: 2023
- Sprache: deutsch
- Format: 24 x 16,5 cm
- Seitenzahl: nicht paginiert (176)
- Bindung: Offenrückenbroschur in Umschlag
- Preis: 29 Euro
- ISBN: 978-3-98741-064-2