Nicht nur für Sammler und Connaisseure

Kein Fotobuch soll heute vorgestellt werden, sondern das Standardwerk über Buchumschläge Berliner Verlage aus einer der für Fotobücher fruchtbarsten Zeit, den zwanziger Jahren. Der Antiquar Jürgen Holstein hatte diesen Band auf Basis seiner eigenen Sammlung bereits 2005 in einer bibliophilen, längst vergriffenen und antiquarisch ziemlich teuren Kleinauflage auf den Markt gebracht – Bibliotheken und spezialisierte Sammler haben den Blickfang, weitere Kreise konnten aber nicht angesprochen werden. Das dürfte sich jetzt ändern, denn die überarbeitete und gekürzte Version ist bei Taschen erschienen, mit 452 hochformatigen statt 520 quadratischen Seiten unter Wegfall von 14 einleitender Aufsätzen, die aber über die Originalausgabe erreichbar bleiben oder gar, im Falle von Roland Jaegers Text über die Buchrreihe Orbis Terrarum, inzwischen in erweiterter Form im zweibändigen Werk Autopsie erschienen ist. Das in China bestens gedruckte Buch ist jetzt mit englischen und deutschen statt nur deutschen Texten ausgestattet, um den Weltmarkt bedienen zu können.

Layouter Peter Nils Dorén hat beide Versionen von Holsteins Werk gestaltet, sodass eine gewisse Kontinuität gewahrt blieb. Die neue Version hat dabei hinsichtlich der Reihenfolge und Einteilung in Kapitel (Politik und Gesellschaft; Verleger und Verlage; Kunst und Künstler; Buchgestaltung; Literatur und Autoren) eine andere Gewichtung bekommen, dennoch ist es interessant zu sehen, wie Dorén manche Doppelseiten neu zusammengesetzt hat, um dem veränderten Format und der durch die englischen Übersetzungen angewachsenen Textmenge gerecht werden zu können. Auch wenn auf manchen Einbänden kein Foto prangt: Fotobücher kommen selbstverständlich immer wieder vor, so in den knapp gehaltenen Abschnitten über Herbert Bayer und John Heartfield, über Kinderbücher oder den Verlag Hermann Reckendorf; es gibt allerdings kein gesondertes Kapitel zu diesem Thema. Zudem lässt sich zu den fotoillustrierten Umschlägen oder dem Wettbewerb der „50 schönsten Bücher“ einiges an Fotografie entdecken. Speziell die letztgenannten, aber auch andere Themen werden inzwischen in der Anthologie Autopsie mittels umfangreicherer Textbeiträge und einer üppigeren Bildargumentation ausführlicher gewürdigt (die Bibliographie bei Holstein wurde allerdings diesbezüglich nicht aktualisiert).

Holsteins Kompendium hat vor einem Jahrzehnt befruchtend auf die Forschung (und vielleicht auch auf den Handel) gewirkt, fungiert aber jetzt in seiner kompetenten Auswahl und eleganten Gestaltung als Appetitanreger für diejenigen, die sich über Buchkunst und die Wurzeln des modernen Designs informieren wollen. Wohlgemerkt, das Buch handelt „nur“ von Einbänden und Umschlägen und dies allein auf Basis von 1000 Beispielen Berliner Verlage! Wenn schon Holsteins in der zweiten Ausgabe wirklich wohlfeiles Buch den Leser, die Leserin, nicht für das Thema Buchgestaltung entflammt, dann dürften das auch alle weiterführenden Werke nicht schaffen…