„Jetzt ist die Fabrik weg“

Wolfen war früher bekannt als Ort der Produktion von Filmen und Fotopapier: erst Agfa, dann Orwo. Tobias Zielony hat sich mit der dortigen Fabrikation von lichtempfindlichem Material beschäftigt, hat mit Leuten gesprochen, die dort gearbeitet haben, hat Fotos und Objekte gesammelt und auch selbst fotografiert. Im Kunstmuseum Marta in Herford hat er aus dem Sammelsorium mit Hilfe eines Kurators eine Installation namens Dark Data eingerichtet. Zu dieser Gelegenheit ist ein Buch erschienen, das Wolfen heißt.

Was will uns der Künstler sagen? Zum einen soll man sich die gefährlichen Produktionsbedingungen für die analogen Fotoprodukte nicht schönreden. Die Orwo-Fabrik und vor allem die Region Wolfen/Bitterfeld als ein industrielles Zentrum der DDR ist zu einem Synonym für Raubbau an Mensch und Umwelt geworden. So weit, so gut.

Was enthält das Buch? Großzügig mit viel Leerraum angeordnete anonyme Statements, offenbar gewonnen von Zeitzeugen oder Zeitzeuginnen, und grautonige, „dokumentarische“ Schwarzweißfotos auf Dünndruckpapier, dazwischen 20 Farbfotos auf dickerem, matten Kunstdruckpapier, wobei die farbigen Motive auf die teils in Dunkelräumen ablaufende Fabrikation von analogem lichtempfindlichen Material anspielen (Rollen mit Rohware, Teststreifen, Laborstillleben) und neben überwiegend topografischen Sujets in Schwarzweiß auch noch Reproduktionen von Dokumenten hinzukommen. In Wolfen gab es also früher eine Film- und Fotopapierfabrik, die im Speziellen durch das Ende der DDR und im Allgemeinen durch den Wandel zum Digitalen arbeitslos wurde. Man erinnert sich daran, entweder versonnen wegen dem damaligen Zusammenhalt in der Brigade etc. oder zornig wegen den ungesunden Arbeitsbedingungen, entsetzt wegen der eingesetzten Strafarbeiter oder ratlos wegen der problematischen Umweltbelastung.

Ich kenne die Installation im Herforder Museum nicht und kann nur hoffen, dass sie in ihren Kernaussagen nicht so banal war wie das durch die Gestaltung mit Bedeutung in Richtung „Licht“ und „analoge Datensicherung“ pathetisch aufgeladene Künstlerbuch, das eher das Zeugnis einer Neuorientierung des Fotokünstlers zu sein schein als das Produkt einer absolut zwingenden künstlerischen Auseinandersetzung mit einem wirklich unter den Nägeln brennenden Thema.