Nothing is anywhere ever simply present or absent

Nichts ist irgendwo einfach nur an- oder abwesend. Über dieses bei Jacques Derrida gefundene Zitat ein Fotobuch zu machen, ist mutig. Denn die Fotografie handelt ja traditionell nicht vom Nichts, sondern von real vorhandenen Objekten. Also ist immer etwas da, aber was? Leon Kirchlechner zeigt das Nirgendwo, das auch ein Irgendwo ist, in seinem schlicht und dezent gestalteten, ganz auf die Wirkung der Bilder vertrauenden Buch. Die Irritation beginnt mit der Titelseite, denn deren eine Hälfte ist (trotz druckfrischen Zustands!) herausgerissen. Eine zweite Titelseite folgt und man sieht, dass der Riss genau durch das titelgebende Wort NOWHERE geht, sodass man es als Hier und Jetzt (und eben nicht als Nirgendwo) verstehen könnte.

Das ist sicherlich kein Zufall und passt zu den Bildern, die keinen Ort zu haben scheinen: verlassene Baustellen, Müll, Brachland, düsteres Licht, gedeckte Farbigkeit – was man bei Lewis Baltz (zum Beispiel in Candlestick Point, 1989) noch als ziemlich konkretes Statement gegen Konsum und Umweltverschmutzung hätte verstehen können, ist bei Kirchlechner eine Art Endzeitvision. Ist es zu spät für den geschundenen Planeten?

Das bleibt offen und zusammen mit dem Titel und dem genannten Zitat von Derrida, erst am Schluss der Bildstrecke zu finden, ergeben die Fotos ein Werk, das anregt, über existientielle Fragen nachzudenken. Oder wenigstens darüber, wie man mit den Mitteln der Fotografie solche Themen jenseits von Bildjournalismus, Dokumentarismus und Museumskunst bearbeiten könnte. Kirchlechner ist dabei ein rätselhaftes Fotobuch gelungen, das man nicht so schnell vergisst.