Auf dieses faszinierend vielschichtige Buch musste man lange warten. Es war seit Jahren von Steidl angekündigt und ist jetzt endlich bei Mack in London erschienen: Deutschland von Gerry Johansson (* 1945). Johanssons Konzept ist aus den beiden anderen Bänden seiner Länder-Trilogie, Amerika (1998/2009)* und Sverige (2005) bekannt. Es zeigt Deutschland in Orten von Alt Horsbüll über Radhuhn, Rogeez, Rogätz und Rosenkranz bis Würzburg. Die Bilder werden, wie schon bei den beiden Vorgängern von A bis Z geordnet, in quadratischem Kleinformat von 9 x 9 cm, mit breitem weißen Rand und linker Leerseite präsentiert. Bis auf die Bildlegende (= der Ortsname) gibt es keinen Text. Der Buchblock wird in einen beiges Leinen gebunden und mit je einer montierten Reproduktion auf Vorder- und Rückseite versehen. Diese Strenge und Konzentration auf das Wesentliche gehört zum Konzept. Aber die Motive haben einen hohen Unterhaltungwert, denn der Blick des Schweden geht in Ecken und Winkel, die die Eingeborenen gar nicht mehr wahrnehmen: seltsame Hausfassaden, kuriose Zusammentreffen von Formen, Flächen und Linien – alles menschenleer. Das soll Deutschland sein? Ja, und es lohnt sich, genau hinzuschauen. Johansson hat sich mit diesen Arbeiten weit von den ernsten New Topographics – insbesondere von Robert Adams – entfernt, wenngleich dieser Einfluss allgegenwärtig bleibt.
Für Johanssons Länderbücher gilt jeweils die gleiche, zusammen mit dem Layouter Henrik Nygren gefundene Form. Dieses Prinzip variiert der Fotograf für die Arbeiten über kleinere geografische Einheiten wie Städte und Dörfer (gleiches Format und Einbandmaterial, Layout mit Gegenüberstellungen, etwas Text und Zulassen von nicht-quadratischen Formaten) und Landschaften (größeres Format, andere Einbandfarben). Man erkennt also ein Werk von Johansson sofort. Und man wird durch die Gleichartigkeit und Schlichtheit der Präsentation nicht nur zum genauen Hinsehen, sondern auch zum Vergleichen eingeladen. Johansson fotografische Enzyklopädie kommt bei weitem nicht so freudlos daher wie die endlosen Typologien mit dem Ursprung deutscher Gründlichkeit. Durch die Wahl eines international agierenden Verlags wird Johansson, dessen Bücher bislang in Kleinauflagen mehr oder weniger nur für Liebhaber erschienen, vielleicht ähnliche Bekanntheit erlangen wie Adams, Becher & Co. Ob ihm das recht wäre, weiß ich nicht. Verdient hätte er es schon lange.
Sverige, 2005 – Amerika, 2009 – Deutschland, 2012
* Ein kleiner Restbestand des 1998 als Softcover erschienenen Amerika-Buchs kam 2009 in der gleichen Aufmachung wie das Schweden- und jetzt das Deutschland-Buch heraus, was den Zusammenhalt der Länderserie betont.