Vielleicht bin ich zu alt für dieses Buch, vielleicht trauere ich auch nur der Möglichkeit nach, damals, in den beinahe wilden Zeiten vor drei Jahrzehnten in irgendwelchen Punkschuppen nicht fotografiert zu haben… Das Bilderbuch jedenfalls, das vor mir liegt, ist der Berliner Galerie berlintokyo gewidmet, die zwischen Mai 1996 und Mai 1999 existiert hat. Man war sogar während der documenta X in Kassel mit einem Gesamtkunstwerk zu Gast, Fotograf Martin Eberle war schon damals dabei. Natürlich kenne ich die Galerie nicht, aber ich lerne einige Events in Martin Eberles selbstironischem Buch kennen. Oder vielleicht ist es auch auch gar nicht ironisch, mir als vergleichsweise altem Sack kommt es aber so vor. Da wird von Türstehern berichtet, deren Job offenbar unverzichtbar zum Konzept des Gesamtkunstwerks Galeriebetrieb gehört: gern gesehen sind nur Leute, die passend aussehen. Da werden Bands abgelichtet, die zwischen Langweile und Krach wirklich alles gaben. Das mag cool und kreativ sein. Mit anderen Worten: ich verstehe nicht wirklich, was hier wirklich vorgeht bzw. vorgegangen ist. Ich sehe junge Leute, die in etwas heruntergekommenen Räumen posieren. Man lässt sich „spontan“ mit grellem Blitzlicht fotografieren, so wie es vor Kurzem die Partyreporter der Heimatzeitung noch machten. Ich sehe kaum Kunstwerke (Galerie??), aber reichlich Publikum von anonymen Studenten(?) über Musiker des hauseigenen Labels Spielkreis bis hin zu Prominenz wie Rolf Eden, Westbam oder Rainald Goetz. Die Fotos dieses Buches mit ihren auf weißem Grund eingeblendeten Bildtexten ergeben eine chaotisch-charmante Chronik dieser Location und eine Reminiszenz an die Ästhetik jener Zeit. Bewundernswert die Leistung von Eberle, Nacht für Nacht fotografierend bei der Sache geblieben zu sein. Noch bewundernswerter wäre es gewesen, wenn sich Eberle die ganze Sache nur ausgedacht und die Szenen für das Buch in ein paar Nächten inszeniert hätte…