Paul Pfeiffer

Fragen an einen Ausstellungskatalog

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Offensichtlich zählt es zu den unhinterfragbaren Grausamkeiten der Kunst, mit jedem Ausstellungskatalog das Elend der Gattung neu aufzulegen, – doch worin liegt das Elend der Gattung?

Ausstellungskataloge werden meist produziert von Leuten, die in der Hauptsache eine Ausstellung machen und nebenher noch den Ausstellungskatalog. Das heißt, sie entstehen meist in der allergrößten Hektik, wenn weder die beteiligten Künstler noch die Exponate endgültig feststehen, – und sollen doch schon zur Vernissage bereit liegen, mit allen Angaben zur Künstlerbiografie und zu bisherigen Ausstellungen, zu den Bildrechten und zu den Leihgebern… Wen wundert es also, wenn die Katalogmacher auf diese Unmöglichkeit mit dem Mut zur Lücke antworten. Da fehlen im vorliegenden Fall Bildlegenden und eine durchgängige Seitennummerierung, da erscheinen die Erläuterungen zu den Kunstwerken keinesfalls dort, wo man sie erwartet und die Zuordnung von Begriff und Sache wird zur Suchspiel für Enthusiasten. Und da von Paul Pfeiffer mehrheitlich digitale Videoloops gezeigt werden, hat man mit dem Band, der die Abbildungen kommentarlos aneinanderreiht, ein rezeptives Problem mehr. Wenn aber der Künstler zusätzlich das Anliegen seiner Arbeit darin sieht, die Bilder ihrer Mitte zu berauben, d. h. beispielsweise auf Fotografien eines anderen Künstlers zurückgreift, der Marilyn Monroe 1962 an einem Strand in Kalifornien aufnahm, und dabei in seinen Prints das Bild des Stars komplett auslöscht, bleibt man eben irritiert mit den verlassenen Landschaftsfotos zurück, wenn man keine direkten Texthinweise erhält, sondern sich das Verfahren erst mühsam im Textteil erschlüsseln muss. Mit dieser Irritation hat der Betrachter ebenso bei den Arbeiten The Long Count (I Shook up the World, Rumble in the Jungle oder Thrilla in Manila) zu kämpfen, bei denen Paul Pfeiffer Fernsehaufnahmen zum Ausgangspunkt seiner Arbeit nimmt, nämlich die Kämpfe von Muhammad Ali gegen Sonny Liston 1964 in Miami Beach, gegen George Foreman 1974 in Kinshasa oder gegen Joe Frazier 1975 in Manila, um in seinen Loops die Boxer und die Kampfrichter so zum Verschwinden zu bringen, dass sie nur noch als sich bewegende durchsichtige Formen zu erahnen sind. Zwar verfolgt der Künstler damit ein legitimes Anliegen, – eine Ästhetik der Abwesenheit und ein Ankämpfen gegen die Bilder der Massenkommunikation -, aber dass der Katalogdesigner es ihm in diesem Anliegen unbedingt nachtun muss, in der Annahme, die Ausstellungssituation eins zu eins auf den Katalog übertragen zu können, darf man einerseits grundsätzlich in Frage stellen.

Doch andererseits, wie wird ein Ausstellungskatalog genutzt? Nach der Ausstellung werden, geruhsam blätternd, die Stationen der Ausstellung noch einmal impressionistisch abgerufen, – und dann ab ins Regal, zum Kompetenznachweis! Und wer die Ausstellung versäumt hat? Ja, der ist halt zu spät gekommen, der muss halt irgendwie bestraft werden, das ist doch irgendwie Konsens, heute.

  • Titel: Paul Pfeiffer
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Paul Pfeiffer
  • Textautor: Stefan Basilico, Valeria Liebermann, Gespräch zwischen Paul Pfeiffer und Thomas Ruff
  • Herausgeber: K 21 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen Düsseldorf
  • Gestalter: 
  • Verlag: Hatje Cantz
  • Verlagsort: Ostfildern
  • Erscheinungsjahr: 2004
  • Sprache: deutsch, englisch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 80
  • Bindung: Hardcover
  • Preis: 24,80 Euro
  • ISBN: 3775715452

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