Es ist ein unspektakuläres, zuweilen kritisches Bild von Deutschland in den 60er-Jahren, das Leonard Freed (1929-2006) in seinem Buch Made in Germany zeichnete. Er fand Motive zu Arbeit, Protestkultur, Altnazis, Kriegsversehrte, Jugend, Konsum – sogar das Hochwasser wird thematisiert! – und kommentierte seine Aufnahmen in Form von mehrzeiligen Bildlegenden.
Das Buch erschien 1970 in den USA und 1971 mit leicht verändertem Titel und Umschlagmotiv in Großbritannien. Es ist nicht so, dass der Band vom Antiquariatsmarkt verschwunden wäre, nein, zumindest die originale, preiswertere Softcoverausgabe ließe sich problemlos per Internet bestellen. Anlässlich der bis 1.9.2013 laufenden Ausstellung im Museum Folkwang in Essen erschien jetzt das Buch als in Leinen gebundener und mit einem Schutzumschlag versehener Reprint. Die 117 Original- bzw. Neuabzüge von 2006 in der Ausstellung stammen aus dem Bestand des Essener Museums. Im Vergleich mit den gedruckten Wiedergaben im Buch fallen die in den Grauabstufungen differenzierteren Tonwertskalen der Abzüge auf. Der 1970 verwendete Kupfertiefdruck dagegen wirkt schwärzer, kräftiger. Diese Wirkung zeigt nun auch der mit moderner Technik realisierte Reprint. Die Druckqualität ist damit eines Faksimiles wirklich angemessen. Nur mit einer starken Lupe erkennt man, dass der Kupfertiefdruck des Originals, weil als Technik ausgestorben, gegen einen Offsetdruck aus Steidls Manufaktur ausgewechselt wurde. Papier, Einband, Umschlag – alles wie 1970. Allein die geänderte Verlagsangabe, das noch nicht gealterte Papier und das Austauschen von Widmung und Impressum verrät, dass es sich um einen Reprint handelt. Respekt!
Weil die ganze Ausstellung stark auf das Buch Bezug nimmt, ist dieses auch der ideale Katalog. Immerhin ist ein Teil der originalen Druckvorlagen in einer Hängung zu sehen, die den Kapiteln des Buches folgt. Auch Freeds für sein Konzept wichtigen Texte und Kommentare wurden, ins Deutsche übersetzt, für die Ausstellung verwendet. Als Zugabe gibt es eine immerhin 80 Seiten starke Broschüre, die die Geschichte des Buches dokumentiert und dabei auch auf die beiden anderen Deutschland-Bücher Freeds eingeht (Deutsche Juden heute, 1965; Berlin, 1977). Vor allem aber sind Bilder zu sehen, die Freed für weitere Buchprojekte über Deutschland vorgesehen und kommentiert hatte. Eine vom Fotografen 1990, 1998 und 2005 angestrebte Aktualisierung von Made in Germany in Form eines neuen Fotobuchs war bis hin zu Einbandentwürfen weit gediehen, konnte aber nicht realisiert werden. Der Dummy für die letzte Version Die neuen Deutschen 1949-1999 ist in der Essener Ausstellung und im Begleitband zu sehen. In den Ausstellungsvitrinen liegen zudem Kontaktbögen aus der Deutschland-Serie, Korrespondenz zum Buch und ein gezeichnetes Layoutkonzept für den Band von 1970. Denn Freed hatte nicht nur fotografiert und getextet, sondern auch die Gestaltung übernommen.
Das Thema Deutschland hatte ihn nicht losgelassen und nimmt einen zentralen Stellenwert im Œuvre des Fotografen ein. Ausstellung und Reprint hätten dem Fotografen gefallen, noch mehr allerdings, wenn man auch seinen Plan für ein weiteres Deutschland-Buch umgesetzt hätte, was zeitlebens nicht geklappt hat. Die Begleitpublikation Re-Made deutet an, was man erwarten dürfte.
- Titel: Made in Germany, Begleitband: Re-Made. Leonard Freeds Deutschland
- Untertitel:
- Bildautor: Leonard Freed
- Textautor: Leonard Freed, im Begleitband: Leonard Freed, Florian Ebener, Paul M. Farber
- Herausgeber: Museum Folkwang Essen
- Gestalter: Leonard Freed, Begleitband: Steidl Design (Sabine Hahn)
- Verlag: Edition Folkwang / Steidl
- Verlagsort: Göttingen
- Erscheinungsjahr: 2013
- Sprache: englisch, deutsch
- Format:
- Seitenzahl: 132 + 80
- Bindung: Leinen mit Schutzumschlag, Begleitband: Broschur, gemeinsame Bauchbinde für beide Bücher
- Preis: 38 Euro
- ISBN: 978-386930-622-3 (dt), 978-386930-684-1 (engl)