Wetterleuchten aus dem Osten

Eine Entdeckung: der Fotograf Thomas Kläber

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Ich gebe es ja zu: Bevor mir der Verleger nicht das Buch mit dem geheimnisvollen Titel Wetterleuchten geschickt hatte, war mir der Namen seines Autors, des Fotografen Thomas Kläber, unbekannt. Kläber (Jg. 1955) hat in den achtziger Jahren in Helfried Strauß’ Klasse an der Leipziger Hochschule für Graphik und Buchkunst studiert. Die Monographie ist eine Zusammenfassung seines bisherigen Schaffens und sollte helfen, den Namen Kläbers weiteren Kreisen bekannt zu machen. Das Buch enthält vor allem Ausschnitte von Bildserien zum Zustand der DDR und den neuen Bundesländern. Sie sind mit viel Liebe zum Detail erzählt und häufig mit einer Prise Ironie gewürzt – Wetterleuchten eben, nicht Blitz und Donner, deutlich wahrnehmbare, aber immer stille Zeichen am Firnament der Fotografie. Kläber lebt vor allem von Produktionen für die bunten Welt brandenburgischer Schlösser und Gärten; aber das hat mit dem fotografischen Wetterleuchten des Buches nichts zu tun.

Hierin gehören die Langzeitbeobachtungen Landleben (bis 1989, leider nicht berücksichtligt blieb die nach 1989 entstandene Fortsetzung Landleben 2) und „Zeitsprünge“ zu den tragenden Säulen. Zudem gibt es u.a. Portraitreihen, die bestimmte Personen im Abstand von Jahren immer wieder zeigen („Zusammen“), einige Arbeiten experimentellen Charakters („Landschichten“) und eine kleines Konvolut an Farbbildern („Eindrücke“), die Kläber plattgefahrenen Tieren als Verlierern des automobilen Zeitalters gewidmet hat. Das perfekt ausgewählte Titelmotiv zeigt eine Art Sackgasse zwischen düsteren, grauen Mauern. Kläber hat mit dem Druck auf den Auslöser so lange gewartet, bis das Sonnenlicht einen möglichen Ausweg aus dem Schattental vorzeichnete.

Gewundert hat mich, dass ich Kläbers vielleicht stärkste Serie, „Wegzeichen“, in der Monographie nur am Rande vertreten fand – sieht einmal ab von einem Konzentrat aus acht Beispielen unter dem neuen Titel „Frankfurt (Oder) 1988-1989“. Das kleine Büchlein Wegzeichen erschien 1989 kurz nach dem Fall der Mauer noch in typischer DDR-Ausstattung und blasser Druckqualität. Kläbers prosaische Fotos wurden seinerzeit durch einen Vorspann aus Gedichten in das eher unpassende Umfeld der Poesie gestellt. „Wegzeichen“ birgt schließlich einen fotografischen Sprengsatz ähnlicher Brisanz wie Helga Paris’ 1986 verbotene Ausstellung Halle: Häuser und Gesichter. Grau in Grau reihen sich auf Kläbers Fotos die Plattenbauten aneinander, belebt vor allem von Kindern, die in ihrer Unbekümmertheit nicht zu wissen scheinen, dass es auch freundlichere Gegenden zum Aufwachsen gibt. Die Tristesse der „Wegzeichen“ – sie markieren den Weg in eine völlig fremde Welt – nimmt mir den Atem – aber nur angesichts der authentischen Originalpublikation. In der neuen Monographie mildern die verkürzte Bildauswahl und vor allem die außerordentliche Brillanz des edlen, frequenzmodulierten Drucks den deprimierenden Eindruck der genau in ihre Zeit passenden älteren Veröffentlichung. Aber das Ausblenden der „Wegzeichen“ ist ein eher nebensächliches Detail; der Autor wird seine Gründe gehabt haben, was er heute und unter veränderten Vorzeichen als zeigenswert und typisch für sein Werk einstufte.

Kai-Olaf Hesse als Gestalter des neuen Buches hat versucht, die einzelnen Werkgruppen durch unterschiedliche Formate und kleine Änderungen im Layout voneinander abzugrenzen, ohne das Buch in unterschiedliche Bücher auseinanderfallen zu lassen. Leider erfährt man in der Monographie nichts über die früheren Veröffentlichungen des Fotografen; stattdessen gibt es eine Projektchronologie, was aber dem am Werk Kläbers Interessierten nicht wirklich weiterhilft, sobald diese immer mit kurzen Namen versehene Werkgruppen nicht im Buch vertreten sind. Da hilft nur die Veröffentlichungsliste auf der Homepage des Fotografen (www.fotodesign-klaeber.de, die im Buch angegebene Adresse führt in die Irre). Warum sind die einleitenden, von Herbert Schirmer, dem letzten Kulturminister der DDR, formulierten Textseiten mit einem Grauton hinterlegt? Traut der Gestalter dem Leser nicht zu, das Allgemeine nicht von den speziellen Kurztexten zu den Werkgruppen unterscheiden zu können? Aber auch diese Einwände sind marginal.

Thomas Kläber ist ein Fotograf mit dem Blick eines Ethnologen, der es wagt, seine eigene Lebenswelt zu erkunden. Das Fotografieren schafft Dokumente, aber keine Objektivität. Kläber fotografierte vertrautes Landleben und unwirtliche Stadtquartiere unangestrengt, mit Präzision und Blick auf das Wesentliche, den Menschen. Kläber ist ein Meister der Ambivalenz: es gibt weder modische Beliebigkeit noch quälerischen Tiefgang. Die Kritik kommt einher mit Witz und Leichtigkeit. Dass einem dabei das Lachen im Halse stecken bleibt, macht die hohe Qualität von Kläbers Wetterleuchten aus.

  • Titel: Wetterleuchten
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Thomas Kläber
  • Textautor: Herbert Schirmer, Matthias Körner
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: Kai-Olaf Hesse
  • Verlag: ex pose verlag
  • Verlagsort: Berlin
  • Erscheinungsjahr: 2007
  • Sprache: deutsch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 160
  • Bindung: Hardcover
  • Preis: 29,80 Euro
  • ISBN: 9783925935541

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