Zugegeben, es ist ein bisschen peinlich: Als mir das Buch mündlich vorgestellt wurde, kamen mir sofort reißerische Bilder in den Sinn. So, wie üblicherweise Frauen in High-heels ihre dressierten Leoparden an der Leine ausführen, sollten es diesmal Männer sein, vielleicht im Lendenschurz, jedenfalls mit Zähne fletschenden Hyänen an den Ketten.
Doch, manchmal fletschen die Hyänen tatsächlich bedrohlich ihre Zähne in diesem solide ausgestatteten Prestel-Fotoband und die Ketten haben wirklich sehr grobe Glieder, aber das Spektakel, so es denn eines ist, folgt einer gänzlich anderen Dramaturgie: Hier kommt die Wirklichkeit, und die erzählt bekanntlich die spannendsten Geschichten.
Der in Johannesburg, Südafrika geborene Fotograf Pieter Hugo folgt bei seiner Arbeit einer Gruppe von Männern und einem kleinen Mädchen, die, merkwürdig genug für einen Mitteleuropäer, alle miteinander verwandt sind. Sie verdienen ihren Unterhalt damit, eine Art afrikanischen Wanderzirkus zu betreiben: Mit drei Hyänen, vier Pavianen, mehreren Felsen-Pythons, mit Trommelbegleitung und mit dem schwunghaften Verkauf wundertätiger Tinkturen und Amulette. Ein Geschäft am Rande der Ökonomie. Innovativ muss man sein, um sein Auskommen zu haben, in Nigeria, der weltweit sechst größten Exportnation für Rohöl. Schon allein das zu zeigen, macht das Buch empfehlenswert. Fast will man es bedauern, dass Pieter Hugo sich auf Portraits festlegt. Die meisten Fotos zeigen ein Mitglied der Gruppe mit einem der Tiere. Dabei scheinen die Hyänen allen bekannten Vorurteilen über ihre Gattung besonders gerecht werden zu wollen, während die Paviane auftreten, als seien sie im Grunde nur etwas andere Menschen und die allerbesten Kumpel sowieso. Es handelt sich um Farbfotografien, aber die Farbe bleibt so dezent, dass selbst ein rotes T-Shirt oder ein paar bunte Quaddeln partout keine falschen Akzente setzen wollen. Bemerkenswert sind auch die Bildhintergründe: Tanklastzüge, Autowracks, Häuser, bei denen man nie so genau weiß, ob sie gerade fertig gestellt wurden oder schon abgerissen werden. Das alles ist fotografisch konsequent, abwechslungsreich genug und dokumentarisch im besten Sinne. Aber über die eigentliche Aktion, das Spektakel auf der Straße, wenn die Paviane affenflink die Münzen aufsammeln, die ihnen zugeworfen werden, die erregten Zuschauer vor Staunen den Mund nicht mehr schließen wollen und einige von ihnen sogar bedenkenlos den Tieren nahe kommen, im festen Glauben daran, dass die soeben erworbenen Zaubermittel sie beissfest machen, erfährt man zwar das Nötige im Text, aber um sich die ganze atemberaubende Szenerie entsprechend auszumalen, muss man eben doch weiterhin sein Phantasie bemühen. Irgendwie gut so. Vielleicht ist es trotzdem beruhigend zu wissen, dass die Hyänenmänner im Zweifelsfall Lizenzen der nigerianischen Regierung vorlegen können, – kein Nervenkitzel ohne Gewerbeschein.
Und wie reagiert der Rest der Welt auf die Darbietungen? Amerikanische Sicherheitsunternehmen erkundigen sich ausführlich über die Ausfuhrbestimmungen für die so herrlich abschreckenden Tiere und die Tierschützer weltweit setzen sich vehement für artgerechte Behandlung der Bestien ein. Nichts Neues unter der Sonne also.
PS Bitte ersparen Sie mir die Übersetzung des Titels.
- Titel: The Hyena & Other Men
- Untertitel:
- Bildautor: Pieter Hugo
- Textautor: Adetokunbo Abiola
- Herausgeber:
- Gestalter: Damien Poulain
- Verlag: Prestel
- Verlagsort: München u.a.
- Erscheinungsjahr: 2007
- Sprache: englisch
- Format:
- Seitenzahl: 80
- Bindung: Leinen, Schutzumschlag
- Preis: 39,95 Euro
- ISBN: 978791339603
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