Zwischen Freizügigkeit und Freiheitsberaubung

„Eros und Stasi“ ist ja mal ein putziger Titel für ein Ausstellungsprojekt und den Katalog dazu. Da sitzt eine junge Frau im Negligé und bemalt sich, an einem Küchentisch sitzend und in einen Handspiegel schauend, die Lippen. Dahinter blickt der Staatsratsvorsitzende Erich Honecker indifferent von der Mustertapete, an die man sein millionenfach reproduziertes Konterfei gepinnt hat. Schwül harmlose Erotik und staatsmännische Steifheit (!) gehen eine seltsame Liaison auf diesem tollen Bild von Ute Mahler ein. Buchtitel und Coverabbildung versprechen mehr von diesen (ungewollt?) komisch arrangierten Bildkompositionen. Halten es aber nicht. Man mag darüber zunächst enttäuscht sein. Aber das Buch geht glücklicherweise darüber hinaus.

Es beginnt mit 15 bekannt harmlosen Nuditäten in DDR-Ambiente, u.a. von Günter Rössler. Am Ende dann die 2004 entstandene Serie Secret Rooms von Daniel und Geo Fuchs: beklemmende Überbleibsel von Stasizentralen, Verhörzimmern, Gefängniszellen etc. in strenger Zentralperspektive. Es sind die einzigen Farbbilder in dem Band.

Erotische Freizügigkeit hier und staatliche Freiheitsberaubung dort. Dazwischen der ganze realsozialistische Rest in allen Grauabstufungen: zerbröselnde Hausfassaden, Menschen zwischen Traurigkeit und Trotz, Straßenszenen, Stillleben, 1.-Mai-Paraden, Staatsbesuche und Montagsdemo – ein Reigen von rund 100 famosen DDR-Fotografien, die zwischen den 50er-Jahren und dem Fall der Mauer entstanden und von der Aachenerin Gabriele König gesammelt wurden. Die Aufnahmen stammen neben den bereits Erwähnten von Sibylle Bergemann, Evelyn Richter, Ulrich Wüst, Barbara Metselaar Berthold, Helga Paris, Roger Melis, Ursula Arnold, Arno Fischer, von Dirk Alvermann, der erstmals in einem solchen Zusammenhang auftaucht, und von vielen anderen. Ein Buch also, das nicht nur beispielhafte Fotografien von wichtigen und wichtigsten DDR-Fotografen enthält, sondern auch durch sein schlüssiges Konzept überzeugt.