Sowohl Foto-Grafiker als auch Chronist

Eine Monografie über Dietmar Riemann

Riemann_Cover

Der an der Leipziger Hochschule ausgebildete „Diplom-Fotografiker“ Dietmar Riemann (* 1950) war auf dem besten Weg, in der DDR seine erfolgreich gestartete Karriere fortsetzen zu können; mehrere Fotobücher und Bildbände waren schon erschienen, als er und seine ebenfalls als Fotografin arbeitende Frau Marga aufgrund der repressiven Verhältnisse einen Ausreiseantrag stellten und – wenige Tage vor dem Fall der Mauer – in den Westen übersiedeln konnten. Riemann verarbeitete die traumatischen Erfahrungen in einem Tagebuch, dass später auch unter dem Titel Laufzettel veröffentlicht und zu einem wichtigen Dokument für das persönliche Schicksal von Ausreisewilligen und den Umgang des Staatsapparates mit ihnen wurde. Dietmar und Marga Riemann mussten wieder ganz neu anfangen – und waren zu wichtigen Zeitzeugen für den Umgang der DDR mit ihren Bürgern geworden.

Riemann_2

Riemann konnte immerhin sein Archiv in den Westen hinüberretten und damit weiterarbeiten. Inzwischen hat er etwas erreicht, von dem viele Fotografinnen und Fotografen nur träumen können, nämlich die langfristige Sicherung seines Archivs unter dem Dach der Stiftung Situation Kunst in Bochum. Zur Begleitung einer von dort initiierten Ausstellung, die 2023 in Bochum, Rostock, Wiesbaden und 2024 in Berlin zu sehen ist, erschien eine längst überfällige Monographie über das fotografische Schaffen von Dietmar Riemann.

Riemann_1

Riemann_3

Das Buch umfasst zwei große Bildessays aus der Zeit Riemanns in der DDR, wobei der erste in Schwarzweiß vier Themen umreißt: Menschen auf der Trabrennbahn in Berlin-Karlshorst, sodann ein Ausschnitt aus seiner Diplomarbeit über Menschen in den Samariteranstalten Fürstenwalde, schließlich Ostberliner Hinterhöfe und „Wände, Mauern und andere Begrenzungen“. Der zweite Teil ist Schaufenstern in der DDR gewidmet, die Riemann konspirativ und authentisch ablichtete. Aus diesen (meist farbigen) Fotos wird in entwaffnender (und unterhaltsamer) Weise das Dilemma des ostdeutschen Staates deutlich, der am Konflikt des Wollens und des realen Könnens scheiterte. Am Ende steht ein Blick in Riemanns Tagebuch und ein Bild, das die heutige Situation auf den Punkt bringt: eine zerschossene Mauer mit einem leeren Schaukasten, auf dem man den Schriftzug „PAX“ liest. Der bestens gedruckte, sachlich gestaltete Band mit vielen bislang unveröffentlichten Bildern lenkt den Blick von dem Zeitzeugen Riemann behutsam zurück auf seine eigentliche Bestimmung, nämlich als Fotokünstler kritische Relevanz zu entfalten.

 

 

  • Titel: Dietmar Riemann – Foto-Grafiker
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Dietmar Riemann
  • Textautor: Christoph Dieckmann, Peter Keup, Eva Wruck
  • Herausgeber: Eva Wruck (für die Stiftung Situation Kunst)
  • Gestalter: Saskia Kruse
  • Verlag: Kerber
  • Verlagsort: Bielefeld
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: deutsch, englisch
  • Format: 25,5 x 29 cm
  • Seitenzahl: 156
  • Bindung: illustriertes Hardcover
  • Preis: 40 Euro
  • ISBN: 978-3-7356-0889-5

Kommentarfunktion geschlossen.