Unterwegs für die DDR

Die erste Monografie über Thomas Billhardts Lebenswerk

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Thomas Billhardt (* 1937) war in der DDR ein wichtiger Bildjournalist. Er ist Absolvent der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst. Dennoch fehlt sein Name in allen jüngeren Veröffentlichungen zur DDR-Fotogeschichte. Warum nur? Das möchte man lieber nicht so genau wissen. Sicherlich liegt das nicht daran, dass die Fotos nicht bekannt oder nicht veröffentlicht worden seien. Denn es gibt allein aus der Zeit vor 1990 mehr als 20 Bücher mit Billhardts Bildern. Allein diese Zahl lässt aufhorchen, denn von Evelyn Richter gab es in der DDR nur drei Bücher, von Arno Fischer fünf bis sechs, von Christian Borchert eines, von Gundula Schulze oder Bernd Heyden gab es nur je einen kleinen Katalog. Es ist die Nähe zur Macht, die den Bildreporter Billhardt auf Achse und in Spur hielt. Trotzdem oder gerade deshalb war es an der Zeit, einen Überblick zum Werk des nicht im Kunstkontext agierenden Fotografen vorzulegen. Vermutlich war sich Billhardt der Brisanz dieser Aufgabe bewusst und die nun endlich auf dem Tisch liegende Monografie spart, zumindest in den Bildern, nichts aus. Beide Vorsätze sind mit grautonigen Kontaktbögen bedruckt, auf denen Ulbricht beim Halten einer Rede zu sehen ist. Es muss eine Qual … und eine Ehre gewesen sein, dem zuzuhören.

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Das Buch ist als Kaleidoskop angelegt. Die Fotos sind in chronologisch geordneten Kapiteln in einem Rasterlayout angeordnet, das streckenweise als (gewollte?) Reminiszenz an die Designs wirkt, die seit den späten 60er-Jahren (nicht nur) in der DDR Standard waren. Die Qualität vieler Einzelbilder ist eindrucksvoll. Es gibt nicht nur den staatstragenden Honecker zu sehen, sondern den Genossen auch in grotesken Situationen. Das war seinerzeit natürlich nicht zu veröffentlichen, aber Billhardt hatte es trotzdem gesehen und festgehalten. Gezeigt wird auch eine Reportage zum Konzert der Rolling Stones auf der Westberliner Waldbühne 1965. Wenn diese Serie damals in der DDR veröffentlicht worden ist, dürfte dies sicherlich nicht ohne einen Tadel an den Auswüchsen der kapitalistischer Populärmusik geschehen sein. Ein eventuell gegebener Publikationskontext wird im Buch leider nicht mitgeteilt. Reisekader Billhardt war auch dabei, als die Filmemacher Heynowski & Scheumann mit ihrem westdeutschen Adlatus Hellmich in Vietnam auf den Spuren des amerikanischen Imperialimus agierten oder als sich in Nicaragua die Fronten lichteten. Permanent war er in Chile, China, Italien und natürlich auch zu Hause unterwegs. Sobald die Deutsche Demokratische Republik Solidarität ausdrücken wollte, erschienen Reportagen, Bücher und Bildbände, die, die umfangreiche Bibliografie Billhardts beweist es, oft nur mit den Fotos ihres wichtigsten „Kriegsreporters“ möglich waren. Ein Buch, das nur im Westen herauskam, fehlt in der Bibliografie allerdings (Toscana Immagini, Firenze 1976); ein zweites wird mit dem falschen Erscheinungsjahr genannt, ist aber eines der besten des Fotografen: Die Palästinenser, 1979 herausgegeben von der PLO in einem Verlag in Hanau! An einem quasi offiziellen Solidaritätsbuch von Künstlern war er als Herausgeber maßgeblich beteiligt (Chile. Gesang und Bericht, 1975).

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Billhardts Engagement und politische Haltung liegt offen. Das auf Gesprächen mit dem Fotografen beruhende Vorwort informiert in freundlichem Plauderton. Die Qualität von einigen der unter Billhardts Beteiligung zustande gekommenen Fotobücher (Berlin Sonnenseite, 1964; Hanoi, 1973) ist kaum zu bestreiten. Möglicherweise war er mit seinem Erfolg bei den mit der Staatsmacht ringenden Künstlerkollegen und bei den Apologeten der DDR-Fotografie nicht allzusehr beliebt, was sich bis heute nicht geändert zu haben scheint. „Ich habe lediglich meine Möglichkeiten genutzt“, wird er im Vorwort des neuen Buches zitiert (S.12). Die propagandistische Seite der DDR-Fotografie, und zu dieser gehört der omnipräsente Bildjournalist Billhardt, scheint noch immer ein vermintes Terrain zu sein. Gut, dass dieses Buch jetzt da ist, um die Diskussion zu eröffnen.

  • Titel: Fotografie
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Thomas Billhardt
  • Textautor: Steffen Lüddemann
  • Herausgeber: Jens Wolfram, Frank Wonneberg
  • Gestalter: Frank Wonneberg
  • Verlag: Edition Braus
  • Verlagsort: Berlin
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: deutsch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 256
  • Bindung: illustriertes Hardcover
  • Preis: 49,95 Euro
  • ISBN: 978-3-86228-048-3

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