Dass Christian von Steffelin das Vorzeigeobjekt der DDR, den Palast der Republik, als Thema einer fotografischen Langzeitbeobachtung gewählt hatte, war bekannt, seitdem der Fotograf einen Förderpreis für Dokumentarfotografie der Wüstenrot-Stiftung bekam und der Anfang der Serie 1999 in einem Katalog veröffentlicht wurde. Die nach dem Abriss des Bauwerks abgeschlossene Arbeit hält, was der Auftakt versprach.
Zunächst unterscheidet sich das dazu jetzt erschienene Buch von gleichartigen Vorhaben allein schon durch die lange Zeitspanne, in der der Fotograf seinem Sujet widmete. So entstand kein Schnellschuss, sondern eine akribische Studie über Vernachlässigung und Untergang eines Baudenkmals. Von Steffelin fotografierte nicht nur innen und außen, sondern auch von innen nach außen und regelmäßig die sich ändernde Beziehung des Palastes bzw. seiner bröselnden Ruinen zu seinem Umfeld. Immer wieder aufs Neue eingenommene Kamerastandpunkte sorgen mit dem Lauf der Zeit für eine Kombination aus Déjà-vu- und Aha-Erlebnissen. Dazu kommt, dass von Steffelin eigentlich nie mit dem Zeigen eines Zustands zufrieden war, sondern möglichst jedes Bild durch Beleuchtung oder die Einbeziehung skurriler Details zu einem optischen Schmankerl gestaltet, ohne dabei den roten Faden einer Architekturdokumentation zu verlieren. Das die Fotos in lockerer chronologischer Folge präsentierende Buch ist wohltuend sachlich layoutet. Gestalter Kai-Olaf Hesse fand für jede Doppelseite die passende, individuelle Form fernab eines gleichförmigen Rasters, um den Aufnahmen Rahmen und Struktur zu verleihen. Nachdem sich die Stadt und Staat genötigt sahen, sich dieses hochrangigen Kulturdenkmals (mit der langen Vorgeschichte als Hohenzollernresidenz) so hastig und so radikal zu entledigen, bleibt der Trost, dass der Palast seit seiner Einweihung 1976 immer wieder eine solch schicke bis surreale Kulisse für schöne Fotobücher wie dieses abgab. Von Steffelins Werk ist ohne Frage der Höhepunkt dieser Entwicklung. Nach der Beseitigung des Bauwerks ist es fraglich, ob es möglich sein wird, diesen Gipfel noch einmal zu erreichen.
Für Fotobuchsammler gibt es ein kleines Extra: die schmale Bauchbinde mit dem Buchtitel ist überaus fragil und dürfte damit schnell verschlissen und entsorgt sein, was in sanfter Ironie an das Schicksal des einstigen Schmuckstücks der Republik erinnert.
- Titel: Palast der Republik (1994-2010)
- Untertitel:
- Bildautor: Christian von Steffelin
- Textautor: Knut Ebeling, Manfred Schmalriede, Christian von Steffelin
- Herausgeber:
- Gestalter: Kai-Olaf Hesse
- Verlag: Hatje Cantz
- Verlagsort: Ostfildern
- Erscheinungsjahr: 2011
- Sprache: deutsch, englisch
- Format:
- Seitenzahl: 248
- Bindung: llustriertes Hardcover (mit Bauchbinde)
- Preis: 39,80 Euro
- ISBN: 978-3-7757-2721-1