Deutschland an Tagen wie diesen

Hans-Jürgen Burkard (Jg. 1952) ist Bildjournalist alter Schule. Jedes Bild sitzt und erzählt eine Geschichte. Kein Wunder, dass seine publizistische Heimat beim Stern und bei GEO liegt, was gewisse Erwartungen weckt – sowohl an die Qualität der Fotografie als auch der Produktion. Sein neues Buch ist Deutschland gewidmet, wahrlich kein ungewöhnliches Thema, dieses aber ungewöhnlich angepackt, und zwar mit klassischen Einzelbildern, die vom Fotografen mit kurzen Kommentaren versehen, in eine zwanglose Folge gebracht wurden. Zudem gesellen sich passende Zitate aus populärem Liedgut hinzu von Musikern von Wolf Biermann bis Blumentopf, von den Höhnern bis zu den Einstürzenden Neubauten. Ob es diese oder jene Texte wirklich brauchte, um die Bilder zur Wirkung zu bringen, sei dahingestellt (Untertitel oder Werbezeile auf Umschlag und Innentitel: „Inspiriert von der Lyrik deutschsprachiger Musik – Poetische Deutschland-Bilder von verzaubernder Kraft“). Rein gestalterisch sind die Texte jedenfalls immer an den richtigen Stellen platziert, sodass man sie auch als grafische Elemente sehen (oder übersehen) kann. Die in der Tat kraftvollen Fotos wirken für sich – und das in ihrer großen thematischen Spannbreite vom KZ Dachau bis zur Zugspitze. Ein Kaleidoskop, so widersprüchlich, seltsam oder klischeehaft das Deutschland von heute eben ist. Das Buch dürfte die hartgesottenen Fans des selbstgemachten, selbstgestalteten und selbstpublizierten und dabei immer den neuesten Tendenzen des „Dummy-Doctoring“ folgenden Fotobuchs nicht interessieren oder zufriedenstellen, verwöhnt aber die Anhänger von erstklassiger Fotografie.

PS Komisch an diesem Band ist allerdings die stark vergrößerte, zweigeteilte Wiedergabe eines Fotos von Schloss Neuschwanstein auf den zur Stabilisierung des Schutzumschlags umgeschlagenen horizontalen Klappen („French Fold“-Jacket). Sichtbar nur, wenn man den Schutzumschlag abnimmt. Ein Effekt des Effektes willen…