Chalets, so lernt man aus Patrick Lambertz´ Buch, sind ein wichtiger Beitrag der Schweiz für die internationale Baukultur. Lambertz (* 1972) hat für seine Arbeit über diese Ausprägung alpenländischer Architektur Beispiele insbesondere im Kanton Schwyz fotografiert. Von einer um Vollständigkeit bemühten, für die Architekturgeschichte wirklich brauchbaren Dokumentation ist der Fotograf dabei noch weiter entfernt als es Bernd und Hilla Becher je waren. Lambertz betreibt ein künstlerisches Projekt, bei dem es freilich eine starke Parallele zu den Serien der Düsseldorfer gibt, nämlich die konsequente Anwendung einer vereinheitlichenden Aufnahmemethode und Bildgestaltung. Bei den Bechers war dies u.a. neben der Bevorzugung bestimmter Bautypen – es waren ja auch Fachwerkhäuser darunter – das Warten auf das unverwechselbare „Becher-Wetter“. Erst dann konnte an die Aufnahme der streng axialen Fassadenabwicklungen gedacht werden. Lambertz machte seine Bilder von einzeln stehenden Häusern immer in verschneitem Gelände (oder sogar bei Schneefall!) und beschränkte sich auf eine Giebelansicht pro Objekt. Ob in Schwarzweiß oder in Farbe, das Ergebnis ist das Gleiche, nämlich eine Typologisierung von Architektur, die bei den Bechers noch durch die Präsentation der Bilder in Tableaus unterstützt wurde. In Lambertz´ Buch wird aber auf die Förderung einer Vergleichbarkeit keinen Wert gelegt.
Auf 184 Seiten sind lediglich 34 Motive als doppelseitige Abbildungen enthalten. Diese sind zwar durchnummeriert, aber die Anordnung folgt nicht diesen Bildnummern – eine irritierende Kleinigkeit, die die konzeptionelle Strenge konterkariert. Zudem hat der renommierte Buchgestalter Sybren Kuiper immer wieder Leerseiten als weiteren optischen Widerhaken eingestreut – als ob die Winterlandschaft zwischen den Behausungen weiter ginge. Durch diese Großzügigkeit entsteht eine Konzentration auf Farben, Formen und Details der Chalets. Es wird also konsequent nach einer bestimmten Methode gearbeitet und eine spürbar reduzierte Auswahl geboten. Zusätzlich fokussiert der Fotograf die Konzentration auf das für ihn Wesentliche durch die Verstärkung der rund um die Häuser sichtbaren Weißräume mittels einer gezielten Bildbearbeitung, bei der landschaftliche Details unterdrückt oder gelöscht wurden. Hin und wieder hat er allerdings Kleinigkeiten stehen gelassen, die man problemlos hätte auch noch wegretuschieren können. So sind beispielsweise ein Wohnmobil, eine Straßenlaterne oder eine mobile WC-Kabine seltsam verloren irgendwo in den Bildräumen positioniert, was beiläufig eine allzu akademische Haltung unterläuft (und natürlich rein gestalterisch immer gut passt).
Die Häuser sind im Übrigen immer in der Mitte der Doppelseiten platziert. Das ist riskant, doch die Gefahr, dass wichtige Details im Bund verloren gehen könnten, wird durch die perfekt ausgeführte Bindung des Buchblocks als „Schweizer Broschur“ gebannt, die für ein gutes Aufschlagverhalten sorgt. Dezent wird der Wechsel vom Bild- zum Textteil durch die Wahl einer etwas dickeren Variante desselben Papiers auch haptisch deutlich, ein zusätzliches Zeichen für die wohl durchdachte Gestaltung dieses Buches, das das sattsam bekannte Konzept des Typologisierens am Beispiel der Schwyzer Landhäuser in einer durchaus ernsthaften und zugleich ironisierenden Variante weiterentwickelt.
Dieses Fotobuch ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie man Form und Inhalt unter einen Hut bringen kann, wenn Fotograf, Gestalter und Verleger an einem Strang ziehen.
- Titel: Chalets of Switzerland
- Untertitel:
- Bildautor: Patrick Lambertz
- Textautor: Daniel Blochwitz, Edwin Huwyler, Monika Twerenbold
- Herausgeber:
- Gestalter: SYB (Sybren Kuiper)
- Verlag: Hartmann Books
- Verlagsort: Stuttgart
- Erscheinungsjahr: 2022
- Sprache: deutsch, englisch
- Format: 32,5 x 24,5 cm
- Seitenzahl: 184
- Bindung: Illustriertes Hardcover, innenliegende Schweizer Broschur
- Preis: 45 Euro
- ISBN: 978-3-96070-073-9