Jeder Vorbeiflug ein Ereignis

300 anonyme Fotografien von Zeppelinen

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Das Flammeninferno, in dem das Luftschiff Hindenburg am 6. Mai 1937 bei der Landung in Lakehurst unterging, beendete ebenso eine Ära der Fliegerei wie der Absturz der Concorde am 25. Juli 2000 beim Start in Paris. Hier extreme Langsamkeit, dort extreme Schnelligkeit: zwei Mythen der modernen Luftfahrt, die auf ähnliche Weise und ähnlich spektakulär endeten. Günter Karl Bose schreibt in seinem Nachwort, dass in privaten Fotoalben nach dem ersten Weltkrieg selten Fotos von Zeppelinen fehlten, oft seien diese sogar entfernt worden, um in anderen Zusammenhängen wieder aufzutauchen. Es ist kein Wunder, dass die extrem langsamen und niedrig fliegenden Zeppeline zum vielleicht häufigsten privat fotografierten Fluggerät avancierten. Dagegen konnte die Concorde im Überschallflug per se kein Motiv von Fotoamateuren sein.

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Bose hat aus alten Fotoalbum-Bildern nun ein neues Fotoalbum gemacht. Was früher verstreut und einzeln eingeklebt war, findet sich hier akkumuliert wieder. Das erhöht den Reiz der Betrachtung enorm. So entsteht eine impliziten Phänomenologie der privaten Luftschiff-Amateurfotografie. Die meisten Aufnahmen zeigen die gigantischen Zigarren im Flug. Wenn die eleganten Zeppeline über den Städten laut brummend auftauchten und langsam vorbeischwebten, muss das ein spektakulärer Anblick gewesen sein. Jeder Vorbeiflug ein Ereignis. Auf vielen Bildern sind denn auch am unteren Bildrand die staunenden und winkenden Passanten zu sehen. Es ist eine vollkommen ehrliche Begeisterung für den technischen Fortschritt und die Fliegerei überhaupt, die sich hier manifestiert. Die Luftfahrt sollte ja erst mit dem Bombenterror im 2. Weltkrieg endgültig ihre Unschuld verlieren. Aber genau das scheint sich bereits bedrohlich anzukündigen. Wenn die Luftschiffe in die Vertikale gekippt mit der Nase nach unten in Richtung Erde zeigen, erinnert das fatal an niederstürzende Bomben (darüber sollte nicht hinwegtäuschen, dass auch Luftschiffe schon im Ersten Weltkrieg zur Bombardierung eingesetzt wurden).

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Kein Kunstwille hat hier die Kameras geführt. Motiv erfasst, abgedrückt, fertig. Mal fast bildfüllend, dann wiederum schemenhaft im Hintergrund, über Dächern und Landschaften, beim Landeanflug, auf dem Boden vor dem Abflug. Immer ist es die majestätische Erhabenheit der gigantischen Fluggeräte, die die Leute fasziniert auf den Auslöser hat drücken lassen. Die Fotos haben Beweiskraft: ich hab’s gesehen, ich bin dabei gewesen. Nach dem verlorenen Krieg symbolisierten die Zeppeline mit ihrer enormen Größe auch den langsamen wirtschaftlichen Aufstieg (der sich nicht zuletzt darin zeigte, dass Kameras erschwinglicher wurden, mit denen diese Aufnahmen denn wiederum gemacht werden konnten).

Bose knüpft mit diesem Band in Konzept und Ausstattung an den schönen Photomaton-Band an. Wir dürfen gespannt sein, was da weiterhin folgen wird.

  • Titel: Big Zep
  • Untertitel: LZ 126, LZ 127, LZ 129, LZ 130. 300 anonyme Fotos von Zeppelinen 1924 ‑ 1939
  • Bildautor: 
  • Textautor: Günter Karl Bose
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: Günter Karl Bose
  • Verlag: Institut für Buchkunst
  • Verlagsort: Leipzig
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: deutsch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 104
  • Bindung: illustrierter Pappband
  • Preis: 29 Euro
  • ISBN: 9783932865718

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