Krieg im Close-up

9/11 und die Folgen: Die Kriegsfotografin Kate Brooks legt ihre Chronik vor

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Am 11. September 2001 saß Kate Brooks in ihrer Wohnung in Moskau und starrte fassungslos auf den Fernseher. CNN zeigte live die Bilder, die später die ganze Welt erschütterten. In den folgenden Tagen erfuhr die US-amerikanische Kriegsreporterin eine Woge des Mitgefühls. „Wir kennen das. Wir haben ja auch unsere Terroristen, die Chechenski. Jetzt habt ihr eure eigenen”, so der Kommentar einer besorgten Moskowiterin. Wie wird die USA auf diesen Anschlag reagieren? Brooks war sich schnell sicher: mit Krieg. Ihr drängendste Sorge: Wie und vor allem wo soll ich über diesen Konflikt berichten? Knapp drei Wochen später landete Brooks in Islamabad, Pakistan. Eine Reise, die knapp zehn Jahre dauern sollte, begann.

Was treibt eine 23-jährige Frau dazu, die Folgen des 11. September zu dokumentieren, die gefährlichsten Regionen der Welt zu bereisen, ihr Leben aufs Spiel zu setzen – in Afghanistan, im Irak, in Gaza, im Libanon, im Jemen oder jüngst, 2011, in Ägypten oder Libyen? Wer in Brooks fotografischem Tagebuch blättert, das unter dem Titel „Im Licht der Dunkelheit” erschien, erhält eine Ahnung davon. Sicher, die junge Fotografin ist ungemein ehrgeizig, furchtlos fast, aber ihr Interesse für die arabische Welt ist echt. „Mich hat immer interessiert, wie sich der Gegenschlag der USA auf dieses Ereignis in den verschiedenen Regionen der Welt auswirkt. Was er für die Menschen in diesen Konflikten bedeutet”, so Kate Brooks in einem Interview mit dem ARD-Kulturmagazin „ttt”. Dabei ist sie zu reflektiert, um allein auf erprobte Key-Visuals der Betroffenheitsfotografie zu setzen. Ihre Fotografien gewinnen ihre Stärke gerade durch ihre Gegensätzlichkeit – oder, wie der Titel des Buches nahelegt, durch Licht und Schatten gleichermaßen.

Zunächst die Schattenseite. Hier kommt die toughe Kate ins Spiel, die immer ganz nah dran ist. Im Irak beispielsweise, als eine Autobombe detoniert. Aufgebrachte Iraker schlagen auf die Amerikanerin ein, als sie verkohlte menschliche Überreste, schwer verwundete Zivilisten und verzweifelt schreiende Menschen fotografiert. Doch Brooks lässt sich nicht abwimmeln. Erst als sie im Krankenhaus einen schwer verwundeten Jungen sieht, der mehr tot als lebendig in einer Blutlache liegt, lässt sie die Kamera los. Das Nachrichtenmagazin Time publiziert diese Fotos, räumt der Strecke sogar ganze sechs Seiten ein. Ein Grund zur Freude? „Wie konnte ich froh darüber sein, all dies mit eigenen Augen gesehen zu haben?” – so kommentiert die Fotografin rückblickend diesen Moment.

Die Lichtseite. Hier zeigt sich die sensible Kate. Eine Frau, die stets einen Schritt zurücktritt und nach den stillen Momenten inmitten von Krieg und Terror sucht. Es überrascht, dass es sich in der arabischen Welt als Vorteil erweist, eine Frau zu sein: „Als Fotografin kommt man an ganz andere Geschichten heran, als die Kollegen. Frauen werden als weniger politisch, weniger bedrohlich empfunden”, so Brooks im Gespräch mit „ttt”. So entstehen Fotos, die Momente der Trauer, der Mitmenschlichkeit, der Hoffnung, der Selbstvergessenheit zeigen. Und auch der ungezügelten Lebenslust. Man sieht afghanische Frauen in wallenden Gewändern, die ein Theaterstück von Shakespeare aufführen, knapp bekleidete Partygirls in Beirut, die um den Titel „Sexiest Woman” konkurrieren – und berückend schöne Fotomodelle, die die Catwalks der Pakistaner Modewoche bevölkern.

Kate Brooks gelingen Fotos, die differenzierter sind, als die ihrer Berufskollegen. Während das blutige Grauen die mediale Berichterstattung dominiert, also der journalistische Blick von außen auf die Ereignisse, sucht Brooks immer wieder die Innenperspektive – und rückt so viel näher an den wahren Alltag heran. Gut möglich, dass Kate Brooks Hölderlin liest. „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch”, schrieb dieser einst. Das Buch „Im Licht der Dunkelheit” scheint genau aus diesem Bewusstsein heraus entstanden zu sein.

 

 

  • Titel: Im Licht der Dunkelheit
  • Untertitel: Ein fotografisches Tagebuch seit 9/11
  • Bildautor: Kate Brooks
  • Textautor: Kate Brooks
  • Herausgeber: Kate Brooks, Teun van der Heijden
  • Gestalter: Heijdens Karwei
  • Verlag: Benteli (Originalausgabe: Schilt Publishing, Amsterdam, 2011)
  • Verlagsort: Sulgen
  • Erscheinungsjahr: 2011
  • Sprache: deutsch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 252
  • Bindung: Hardcover mit Schutzumschlag
  • Preis: 49,80 Euro
  • ISBN: 978-3-7165-1700-0

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