Menschen kennenlernen auf Friedhöfen

Bei dem hier vorgestellten Buch handelt es sich um kein Fotobuch in dem Sinne, dass Fotografien narrativ miteinander verknüpft werden oder vielleicht im Sinne einer ausgefeilten Text-Bild-Beziehung angeordnet sind. Gleichwohl hat Tobias Wenzel konsequent ein Thema durchgestaltet und zwar in Text und Bild gleichermaßen: Schriftsteller und ihre Gedanken bzw. ihr Verhältnis zum Tod. Die Fotos illustrieren die Texte, wobei umgekehrt die Texte auf die Fotos nicht unbedingt angewiesen sind. Letztere würden ohne die Textbeigaben denn doch eher unmotiviert wirken. Wenzel hat über mehrere Jahre hinweg insgesamt 72 Schriftstellerinnen und Schriftsteller in aller Welt aufgesucht, mit ihnen intensive Gespräche über den Tod geführt und protokolliert. Ort der Begegnung und Gespräche waren grundsätzlich Friedhöfe, auf denen denn auch die Fotos entstanden. Dabei ging es eben nicht darum, beliebige Friedhöfe aufzusuchen, sondern solche Stätten, zu denen die Befragten einen besonderen Bezug hegen. Warum überhaupt Friedhöfe? „Weil“, so Wenzel, „der Friedhof ein wunderbarer Ort ist, um einen anderen Menschen kennenzulernen.“

39 dieser Text-Bild-Porträts sind in dem vorliegendem Buch versammelt. Wenzel ist in erster Linie Rundfunk-Journalist, kein Fotograf. Man sieht es den Fotos an, dass er sich Zeit, viel Zeit für die Gespräche genommen hat, auf diese Weise auch Vertrauen, vielleicht Zuneigung aufbaute und erst dann den Auslöser seiner Plattenkamera betätigte. So entstanden durchweg ungewöhnliche Porträts in ungewöhnlichen Umgebungen, die niemals gestelzt oder verkrampft, pathetisch oder gar peinlich wirken, was allerdings alles leicht hätte passieren können.

Ausstellung im Museum für Sepulkralkultur in Kassel bis 4. Mai 2014