Praga Obscura

Josef Šnobl (1954-2021) hatte sein zweites Buch schon konzipiert, konnte aber die Veröffentlichung nicht mehr erleben. Der 1979 aus Prag nach Köln übergesiedelte Fotograf hatte sein Leben lange als Taxifahrer bestritten und aus diesen Erfahrungen das Buch Nachtfahrt gemacht. Praga Obscura knüpft an den zu Recht Aufsehen erregenden Erstling an. Šnobl erzählt in den in Schreibmaschinentypografie gesetzten und in Packpapieroptik gedruckten Textseiten über sein Aufwachsen im Ostblock-Prag.

Etliche Fotos, teils aus dem Familienalbum, illustrieren die tagebuchartigen Texte und bereiten auf die Bildstrecke vor, die den zweiten Teil des Buches füllt. Erneut gibt es Nachtaufnahmen, aber auch tagsüber hat Šnobl in den 1970er-Jahren und zwischen 1990 und 2005 fotografiert. Gestalter Jiri Hampl hat die Bilder wieder in ein tiefschwarzes Umfeld gesetzt; Papier und Druckfarben sind matt, alle drei Schnitte des Buchblocks sind schwarz, die Bilder selbst zeigen irritierende Farbstiche ins Gelbliche oder Blaugrüne, was ein wenig an die Tradition des Kupfertiefdrucks erinnert. Überhaupt spielt Šnobl bei allem Persönlichen mit dem traditionellen Bild Prags – der Surrealismus lässt grüßen. Von Josef Sudek bis Igor Malijevsky gibt es genügend Versuche, dem Faszinosum Prag oder überhaupt der „Stadt“ auf diese Weise gerecht zu werden. Bewusste Unschärfen, Vignettierungen oder Überstrahlungen erinnern an analoge, technisch unperfekte Amateurtechnik oder, der Titel legt es schon nahe, an die einfachen Camera-Obscura-Kameras. Šnobl zeigtFundstücke und kuriose Konstellationen, vorbeihuschende Passanten, neonhelle U-Bahn-Stationen, ehrwürdige Straßenzüge,Hausruinen, knorrige Bäume, aber keine Motive, die für die Touristenwerbung in Frage kämen.

Das im Grundton konsequent düstere Buch fügt dem unüberschaubar großen Spektrum der Prag-Bildbände mit seiner rauhen Optik und den persönlichen Erinnerungen des Autors eine neue, sehens- und lesenswerte Facette hinzu.