Rätselhaft

Rätselhaft und auf magische Weise anziehend sind die schwarzweißen Fotos, die Lukas Felzmann (* 1959) von Vogelschwärmen gemacht und in einem Buch versammelt hat. Die Bilder sind über viele Jahre in den USA entstanden und der Künstler hat sich endlich entschlossen, aus der umfangreichen Serie ein Buch zu machen. Ornithologen werden enttäuscht sein, Rückschlüsse auf die sozialen und biologischen Verhaltensmuster der Vögel lassen sich nicht ziehen, es ist noch nicht einmal zu erkennen, um welche Vogelart(en) es sich überhaupt handelt. Es sollen „Blackbirds“ sein, ein wirklich passender Name für die als Silhouetten vor hellem Himmel sich abzeichnenden Tiere. Einzelne Sequenzen erhalten ihre Zusammengehörigkeit durch die landschaftlichen Hintergründe, vor und über denen sich die Vogelschwärme formieren. Ein anderes Kapitel besteht nur aus pointilistischen Vogelstrukturen. Zuweilen tauchen auch Eisenbahnen oder Lastwagen am Boden als Zeichen der Zivilisation auf. Unklar bleibt bei diesen Bildern, ob hier eher die Tiere oder der Fotograf für die Gestaltung der All-over-Muster verantwortlich waren. Bei anderen Sequenzen ist die Frage der Urheberschaft der Kompositionen nicht minder ambivalent; die Vögel bilden als Schwarm geschlossene Formen, der Fotograf hatte Bruchteile von Sekunden Zeit, diese Formen wahrnehmen und festhalten zu können. Der Schwarm als Phänomen einer liquiden Masse dient in der Tierwelt dem Schutz des für sich gestellt wehrlosen Individuums, ein Schwarm ist für den Gegner fast unangreifbar. Eine bedrohliche Atmosphäre à la Hitchcock lässt Felzmann aber nicht entstehen.

In der Ausstellung über Schweizer Fotobücher in Winterthur konnte man etwas darüber erfahren, wie aus Felzmanns Fotoserien dieses Buch wurde: Wie groß musste es ein, wie sollte die einzelnen Bilder in Kapitel choreografiert, wie die Kapitel zu einem Buch zusammengefügt werden? Es war ein langer Prozess des Ausprobierens erforderlich, um die richtige Form zu finden. Der Fluss der Bilder wird durch monochrom farbige Seiten (gelb, rot, drei verschiedene Blaus) und kurze Texte gegliedert. Es wären sicherlich auch andere Formen des Layouts möglich gewesen, denn die Zwischentexte könnte man auch als Unterbrechung und damit als störend empfinden. Aber dies ist Ansichtssache wie überhaupt die Interpretation des ganzen Werks der Phantasie des Betrachters viel Raum bietet. Ein in seiner Rätselhaftigkeit genau richtig dosiertes Werk der Ästhetik zu einem rätselhaften Naturphänomen. Ein wunderbares Fotobuch!

Vitrine zu Felzmanns Buch in der Ausstellung Schweizer Fotobücher in Winterthur (Oktober 2011)