Arbeit am Wrack

Tomasz Gudzowaty über das Industriezeitalter

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Während hierzulande die Arbeit immer sauberer wird, werden harte, dreckige und gefährliche Jobs zunehmend in Länder ausgelagert, wo die Löhne und die sozialen und ökologischen Standards niedrig sind. So das Ausschlachten von Hochseeschiffen, von denen weltweit ein Drittel in Chittagong (Bangladesch) abgewrackt werden. Der polnische Fotograf Tomasz Gudzowaty (* 1971) stellte sich diesem Thema und fuhr (bereits 2004) dorthin. Es entstand eine düstere Serie über die Arbeiter und die Schiffswracks, die sie zu zerlegen haben. Die Männer sind oft nur schemenhaft vor den mächtigen Rümpfen und Aggregaten zu erkennen. Deutlich hat der Fotograf an vielen Stellen nachbelichtet – im Verbund mit der groben Körnigkeit der Bilder ein Zeichen dafür, dass er die ganze Serie auf Film fotografiert und mit den Mitteln der traditonellen Dunkelkammer bearbeitet hat. Die expressive analoge Fototechnik passt perfekt zum Sujet. Das Buch setzt diese Kongruenz fort: Der Druck ist so schwarz wie möglich, der Buchblock ist an allen Seiten mit einem Schwarzschnitt versehen, die Bilder laufen doppelseitig und randlos ohne jeden Text wie ein Film in klaustrophobischer Endlosschleife am Auge des Betrachters vorbei.

Das Titelmotiv erinnert an E.O. Hoppés Fotobuch Deutsche Arbeit (1930), wo auch eine große Schiffsschraube auf der einen Seite des Schutzumschlags zu sehen ist. Bei vielen Motiven in diesem Klassiker herrscht eine ähnliche Düsterheit wie jetzt in Keiko. Gudzowaty ist bei aller gewollten Reminiszenz an das analoge Zeitalter beileibe kein sachlicher Piktorialist wie Hoppé, auch kein Apoleget des heroischen Arbeiters, sondern findet in seinem Bildern und mit seinem Buch eine verständliche und zeitgemäße Sprache, um das Thema – der Dritten Welt bleiben nur Jobs, die andere nicht mehr machen wollen oder können – beeindruckend und ohne ohne erhobenen Zeigefinger darzustellen. Gudzowatys Fotobuch ist schlichtweg phantastisch und gehört zu den bemerkenswertesten Neuerscheinungen der letzten Monate.

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  • Titel: Keiko
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Tomasz Gudzowaty
  • Textautor: Witold Szablowski
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: (nicht genannt)
  • Verlag: Hatje Cantz
  • Verlagsort: Ostfildern
  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Sprache: englisch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 148
  • Bindung: illustriertes Hardcover mit Leinenrücken
  • Preis: 45 Euro
  • ISBN: 978-3-7757-3521-6

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