Auf den Straßen von Lost Angeles

Freakshow oder totale Freiheit?

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Dass die Amerikaner eine Vorliebe für extrovertierte Inszenierungen haben, weiß man nicht zuletzt seit der Präsidentschaft von Donald Trump. Anything goes, alles geht und alles ist für das Leben und Verteidigen von „Freiheit“ erlaubt, so vermittelte sich und vermittelt sich noch immer dieser Wesenszug, der irgendwo zwischen Stolz und Irrationalität zu verorten ist. Ein Vorurteil? Vielleicht, aber wenn man sich das Buch Lost Angeles von Michael Dressel (* 1958) anschaut, scheinen die zwischen 2014 und 2020 entstandenen Bilder zu beweisen, dass es kein Vorurteil ist. Los Angeles hat einen Ruf als Metropole freien Denkens und entsprechende Motive fand der seit 1986 dort lebende und für die Filmindustrie arbeitende, in der Enge Ostberlins aufgewachsene Künstler. Motive meint: Menschen. Alte im Jugendwahn, Junge wie zum Karneval ausstaffiert, oft auch Szenen vom Rand des Rotlichtmillieus, immer wieder unvorteilhaft Gekleidete, zuweilen begleitet von Hunden, dazwischen immer wieder Obdachlose und Ausgestoßene. Dressel hat für seinen Beitrag zur aussterbenenden Gattung der „Street Photography“ Begegnungen erspürt oder geduldig abgewartet und die Konstellationen im Sinne des entscheidenden Moments zugespitzt.

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Dressels lakonischer Blick auf die Straßen der Stadt ist der des staunenden Europäers. Im Nachwort wird, nicht ohne Grund, der Name Fellini öfters genannt. Weil es aber nicht um Köln zum Karneval, nicht um Kassel während der Connichi und nicht um St. Pauli bei Nacht geht, sondern um einen Teil des Alltagslebens in Los Angeles, wirken seine Bilder so irritierend. Aber Dressels subtile Kunst ist die des diskreten Beobachters, nicht die des Voyeurs, der seine Protagonisten bloßstellt. Sehen Sie selbst!

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  • Titel: Lost Angeles
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Michael Dressel
  • Textautor: Matthias Harder sowie ein Interview zwischen F. Scott Hess und Michael Dressel
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: Benjamin Wohlbergs
  • Verlag: Hartmann Books / Gingko Press
  • Verlagsort: Stuttgart / Berkeley
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: englisch, deutsch
  • Format: 31 x 24,5 cm
  • Seitenzahl: 176
  • Bindung: Illustriertes Hardcover
  • Preis: 38 Euro
  • ISBN: 978-3-96070-071-5

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