Berlin in Trümmern

Ein neues Buch aus alten Fotos

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Berlin glich nach dem Zweiten Weltkrieg nicht anders als andere deutsche Städte einem Trümmerfeld. Im Gegensatz zu Köln oder Dresden gab es aber ausgerechnet über die größte Stadt Deutschlands bislang kaum ein Fotobuch, dass diesen Zustand so veranschaulichte, dass es im kollektiven Gedächtnis als besonders eindrucksvoll gespeichert blieb. Das wird auch weiterhin so bleiben, auch wenn ein neues Buch aus alten, bislang unveröffentlichten Fotos den Versuch darstellt, dies zu ändern. Das dieses Vorhaben in dieser Hinsicht scheitern musste, liegt nicht an der Qualität des präsentierten Bildmaterials und auch nicht an der ambitionierten Form der Präsentation (Layout, Druck), sondern daran, dass die Authentizität einer zeitgenössischen Veröffentlichung mit dem Blick des Heute auf das Gestern nicht erzwungen werden kann. Hinzu kommt, dass die Materialbasis, aus dem das neue Buch kompiliert wurde, schmal gewesen sein dürfte. Davon unbenommen gilt, dass eine für die Bildgeschichte Berlins und die „Trümmerfotografie“ wichtige Veröffentlichung entstanden ist, die in ihrer Mischung aus Faszination für die Ästhetik der Verwüstung und der angestrebten topografischen Genauigkeit als moderne Interpretation eines historischen Bildbestandes durchaus reizvoll ist.

Durch Zufall stieß Marc Barbey, Sammler mit eigenem „Showroom“ in Berlin und Neffe des Magnum-Fotografen Bruno Barbey, auf ein vor allem aus Luftbildern bestehendes Konvolut von Bildern, die Berlin Ende 1945/Anfang 1946 im Zustand größter Destruktion zeigen. Diese Bilder stammen von Hein Gorny und dem amerikanischen Sergeant Adolph C. Byers. Die Bildfolge wurde durch weitere am Boden entstandene, zuweilen das gleiche Motiv zeigende Aufnahmen von Friedrich Seidenstücker ergänzt. Der Schwerpunkt des kombinierten Rundgangs und -flugs liegt in Berlins Mitte. Die Stadt liegt wie ausgestorben unter Licht der Wintersonne. Unbarmherzig treten die leeren Fensterhöhlen, die Einschusslöcher und die nur notdürftig geräumten Schuttberge zu Tage.

Die Bildtitel („weibliche Bronzeskulptur“) und -erläuterungen sind Zutaten des Herausgebers. Der Titel des Buches „Hommage à Berlin“ ist unglücklich gewählt, denn wem oder was soll gehuldigt werden: Krieg, Zerstörung, Untergang, der Stadt an sich? In den Veröffentlichungen aus der Zeit um 1950 ging es mehr oder weniger offen um Ursachenforschung, Verdrängung, Schuldzuweisung, Überlebenswillen, Wiederaufbauerfolge. Aber nie um eine Ästhetik, der zu huldigen wäre. Daher waren Buchprojekte mit dieser Ausrichtung, wie sie Chargesheimer und Herbert List planten, damals nicht realisierbar. So gesehen passt es, dass auch die Fotos von Hein Gorny erst das Licht der Öffentlichkeit erblickten. Ob man als Betrachter daran jetzt so „viel Freude“ haben wird wie der Herausgeber (S.23), mag jeder für sich entscheiden.

  • Titel: Hommage à Berlin
  • Untertitel:  Photographien 1945/1946 von Hein Gorny, Adolph C Byers und Friedrich Seidenstücker
  • Bildautor: Hein Gorny, Adolph C Byers, Friedrich Seidenstücker
  • Textautor: Enno Kaufhold, Marc Barbey
  • Herausgeber: Marc Barbey
  • Gestalter: Andreas Koch, Sebastian Fessel
  • Verlag: Collection Regard
  • Verlagsort: Berlin
  • Erscheinungsjahr: 2011
  • Sprache: deutsch, englisch, französisch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 160
  • Bindung: Leinen mit montierter Abbilung und Bauchbinde
  • Preis: 49,90 Euro
  • ISBN: 978-3-00-033886-1

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