Bildkommentare zu einem derzeit aktuellen Begriff

Neue Heimatfotos von Peter Bialobrzeski

Bialobrzeski2_Cover_

„Heimat“ scheint heute aktueller denn je zu sein. Kaum ein Politiker-Statement kommt derzeit ohne den Verweis auf die bedrohte, zu schützende oder wertvolle „Heimat“ aus.

Peter Bialobrzeski legte bereits 2005 ein Fotobuch zu diesem nicht unproblematischen Thema vor. Nun folgte Die zweite Heimat, allerdings nicht als Band 2 einer Reihe, was schon am mehrdeutigen Titel und rein äußerlich am Hochformat und der geänderten Typografie zu erkennen ist. Das Covermotiv, Menschen in Landschaft, deutet freilich eine gewisse Kontinuität an. Der Fotograf setzte die seinerzeit Caspar David Friedrich gewidmete Landschaftsserie mit durchaus schönen, beinahe romantischen Bildern nicht fort, sondern stieg hinab in die Niederungen der Vorstädte, Baulücken und Hinterhöfe – ja, auch das ist Deutschland. Bialobrzeski war in den letzten Jahren viel in der weiten Welt unterwegs und legte eine Reihe von bislang fünf City Diaries vor. Hauptthema dieser kleinformatigen fotografischen „Notizbücher“ ist Urbanität, der globale Standard von Schnellstraßen, Werbetafeln und Hochhäusern, der die Städte gesichtslos und verwechselbar macht, was bis in Die zweite Heimat nachhallt. Das Fotografieren deutscher Unorte hat im Übrigen Tradition, man denke an das Oeuvre von Dirk Reinartz, an die Arbeiten von Wilhelm Schürmann oder anderer, den New Topographics verpflichteter Fotografen.

Bialobrzeski2_1

Bialobrzeski2_2

Das Bild auf dem Cover könnte täuschen; die „zweite“ Heimat meint nicht den temporären Aufenthaltsort osteuropäischer Erntehelfer. Gemeint ist ebensowenig der gemeinsame Neustart von DDR und BRD nach 1989/90. Eine solche Interpretationsmöglichkeit wird dezent angedeutet (die Bildstrecke beginnt in Schwarzweiß mit einem Blick in die jüngste Vergangenheit). Bialobrzeski geht freilich darüber hinaus, wenn er in den architektonischen, aseptisch wirkenden, hin und wieder skurrilen Szenerien zuweilen historische Relikte aufscheinen lässt: Eine Entwicklung zum jetzigen Zustand hat stattgefunden, Heimat ist in einem permanenten, in des Fotografen Augen vor allem baulichen Wandel begriffen. Dabei kommt kaum ein Bild ohne Staffagefiguren aus, Hinweis auf den menschlichen Faktor beim Definieren und Ertragen von Heimat.

Bialobrzeski2_3

Ganz anders als in seinem ersten Heimatbuch präsentiert Bialobrzeski Deutschland nun als beliebig, verkorkst und trostlos. So gesehen ergänzen sich Heimat und Die zweite Heimat perfekt, indem sie zwei Pole andeuten, zwischen denen sich das Leben in Deutschland abspielt.

Bialobrzeski_Heimat_beide

Peter Bialobrzeski, City Diaries (Athen, Kairo, Kochi, Taipeh, Wolfsburg), The Velvet Cell, 2014-2016

Peter Bialobrzeski, City Diaries (Athen, Kairo, Kochi, Taipeh, Wolfsburg), The Velvet Cell, 2014-2016

  • Titel: Die zweite Heimat
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Peter Bialobrzeski
  • Textautor: Henning Sußebach
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: Andrea Rauschenbusch
  • Verlag: Hartmann Books
  • Verlagsort: Stuttgart
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: deutsch, englisch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 148
  • Bindung: illustriertes Leinen
  • Preis: 45 Euro, Vorzugsausgabe (Auflage 20) 390 Euro
  • ISBN: 978-3-96070-014-2

Kommentarfunktion geschlossen.