Das Zigeunerleben ist nicht lustig

Josef Koudelkas Roma in einer überzeugenden Neuausgabe

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Josef Koudelka ist mit seinem 1975 erschienenen Buch Gitanes/Gypsies weltberühmt geworden. Selbstverständlich ist dieser mehrfach nachgedruckte Meilenstein essayistischer, humanistischer Fotografie im Kanon der wichtigsten Fotobücher enthalten… und trotzdem gibt es das Buch jetzt ganz neu. Denn Koudelka hatte zusammen mit dem tschechischen Grafiker Milan Kopřiva schon 1968 eine Version entworfen, die aber nicht wie geplant in Prag erscheinen konnte, weil Koudelka aus politschen Gründen sein Heimatland verlassen musste. Diese Urversion diente nun als Ausgangspunkt für eine Neuausgabe des Buches, dessen Kraft und Eindringlichkeit ungebrochen ist.

Koudelka entführt den Betrachter in eine fremde, normalerweise verschlossene, archaisch wirkende Welt voller Rätsel und Geheimnisse, die den damaligen kommunistischen Machthabern höchst suspekt gewesen sein muss. Von der Romantik des Zigeunerlebens ist in den schäbigen Hütten nicht viel zu spüren, eher etwas vom Stolz, trotz allem oder gerade deshalb ein eigenes Leben führen zu können. Die Untertitel werden (wie die Publikationsgeschichte) gleich am Anfang des Buches mitgeteilt und machen klar, welche Arbeit hinter den über Jahre meist in der Slowakei entstandenen Fotos steckt. Diese kommen ohne Moral aus und zeigen die Roma ortlos im Irgendwo ihrer ewigen Reise. Der Zyklus des Werden und Vergehens scheint in der 109 Fotos in körnigem Schwarzweiß umfassenden Bildstrecke immer wieder auf; aus Portraits, Gruppenaufnahmen und wenigen menschenleeren Stillleben entsteht eine Reflektion über Mühsal und Erfüllung menschlicher Existenz. Die perfekte, düstere Wiedergabequalität auf mattem Papier erinnert an Kupfertiefdruck, das Layout variiert in stoischer Ruhe Hoch – und Querformate als Einzel-, Doppel- oder Ausklappseiten in zwei Bildbreiten bei gleichbleibender Bildhöhe. Die Bilder sind immer von weißen Rändern umgeben und isoliert und hin und wieder bleibt eine Seite als optisches Ausrufezeichen leer. Der Einband ist Schwarz, der Schutzumschlag ist weiß. Mehr brauchte es nicht. Aufwändiger, glatter, gefälliger, pädagogischer, weniger dicht, weniger hermetisch, weniger grob wäre kontraproduktiv gewesen und so folgt hier die Form dem Inhalt in idealer Weise. Die Neuausgabe des Buches ist viel besser als das Original von 1975. Dabei ergreift Koudelkas eigentlich schon bekannte Arbeit noch immer, was angesichts einer Übersättigung mit Bildern, Büchern und Berichten alles andere als selbstverständlich ist.

  • Titel: Roma
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Josef Koudelka
  • Textautor: Willy Guy
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: Aleš Najbrt, Josef Koudelka
  • Verlag: Steidl
  • Verlagsort: Göttingen
  • Erscheinungsjahr: 2011
  • Sprache: deutsch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 192
  • Bindung: Leinen mit Schutzumschlag
  • Preis: 48 Euro
  • ISBN: 978-3-86930-388-8

2 Antworten zu Das Zigeunerleben ist nicht lustig

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