Die andere Leipziger Schule

Dass die Leipziger Schule nicht nur weltberühmte Maler hervorgebracht hat, sondern an der traditionsreichen Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig auch viele der für die DDR maßgeblichen Fotokünstler studiert hatten, dürfte einem breiteren Publikum spätestens mit diesem Ausstellungskatalog der Kunsthalle Erfurt bewusst werden. Es ist weder das erste noch das umfassendste Buch zu diesem Thema, aber nach wie vor ist es spannend zu sehen, zu welchen künstlerischen Positionen die Ausbildung in Leipzig befähigt hat. Vor allem geht es um die 1980er-Jahre, als Wolfgang G. Schröter, Helfried Strauß, Arno Fischer und Evelyn Richter als Dozenten dort wirkten. Im Buch wird eine Auswahl an ehemaligen Studenten der Hochschule vorgestellt, darunter Tina Bara, Matthias Hoch, Thomas Kläber, Ute und Werner Mahler, Rudolf Schäfer und Thomas Steinert.

Die Beiträge im Buch handeln vor allem zwei Strängen der Leipziger Fotografenschule, einer am humanistischen Ideal geschulten dokumentarischen und einer subversiv-subjektiven Richtung. Für beide gab es in der Endphase der DDR Nischen. Einige der genannten Protagonisten konnten nach dem Ende des Staates problemlos in die global vernetzte Kunstszene wechseln. Das wird zwar im Buch nicht direkt thematisiert, wird aber deutlich, wenn man die im Anhang ausgebreiteten Viten der beteiligten Künstlerinnen und Künstler studiert. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist das Buch zweisprachig deutsch-englisch gehalten. Dieses umfasst neben einer Einführung u.a. Aufsätze zur Gruppenbildung (Andreas Krase), zu Serien von Helfried Strauß und Erasmus Schröder (Kai Uwe Schierz) und zu einzelnen Aspekten der Avantgardefotografie in der DDR (T.O. Immisch). Der Bildteil ist umfangreich und umfasst pro Künstler je sieben Abbildungen, die bevorzugt aus einer einzigen, zu Zeiten der DDR entstandenen Werkgruppe ausgewählt wurden. Der Band ist kein Lexikon der Fotokunst in der DDR, aber ein wichtiger Baustein dazu.