Elend, Hunger, Krieg, Naturschönheiten

Sebastião Salgados „Africa“

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Wenn Sebastião Salgado seinen neuen schweren Bildband schlicht „Africa“ nennt, weckt er falsche Erwartungen, evoziert das doch eine verengte Sicht auf den Kontinent. Einerseits: Großartige Landschaftspanoramen, Steppen unter weitem Himmel, Urwälder, dramatische Wolkenbilder. Andererseits: Flüchtlingsströme, ausgemergelte, verzweifelte und paralysierte Männer, Frauen und Kinder. Sterbende Kinder, nackte Kinder, die mit leeren traurigen Augen von unten in die Kamera blicken, Nomaden mit ihren Rinderherden in verstaubten, verdorrten Steppen. Von Fliegen bedeckte Leichenberge, Amputierte, die sich mit letzter Kraft durch die Landschaft schleppen. Die Bilder gehen an die Substanz, und das soll so sein. Erschütternd und wahr, denn Salgado hat es gesehen und fotografiert.

Seit 1971 hat Salgado den Kontinent kreuz und quer bereist. Viele Abbildungen veröffentlichte er bereits in dem Band „Migranten“ (Verlag Zweitausendeins, 2000). Afrikas Moderne mit ihren boomenden Metropolen und ihrer pulsierenden Kunstszene, interessierte ihn damals schon ebenso wenig wie die schmale Gesellschaftsschicht, die allen bürgerlichen Wohlstand des Westens genießt, aber das war ja auch nicht sein Thema. „Migranten“ zeigte schon im Titel an, dass es sich um eine groß angelegte Studie über Flucht und Vertreibung in der ganzen Welt handelt.

Seine Fotos vom Völkermord in Ruanda gingen um die Welt. Er hielt die Kamera auf die schmerzenden Wunden, zeigt, was man im Westen und Norden gerne vergessen würde. Keine Frage, diese Bilder sind Anklage und Beweise gleichermaßen. Es sind nicht nur (zufällige) Dokumente, sondern hochgradige künstlerische Kompositionen. Das Flüchtlingslager, das sich bis zum Horizont auf den sanften Hügeln erstreckt, folgt den Kompositionsprinzipien der monumentalen Weltlandschaft. Die traurige Frau mit dem leicht zur Schulter hin geneigten Kopfe und dem ausgemergelten Kind auf dem Arm ist eine klassische Pietà.

Solche Bilder findet man immer wieder auf den Prospekten der Hilfsorganisationen. Viele Afrikaner – vor allem Künstler – lehnen das auf eine Zementierung der Verhältnisse hinauslaufende Mitleid des Westens jedoch ab und setzen auf ein starkes Selbstbewusstsein. Wohl wahr, Afrika hat viel mehr verdient ? wenigstens eine differenziertere Sichtweise.

  • Titel: Africa
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Sebastião Salgado
  • Textautor: Mia Couto
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: 
  • Verlag: Taschen
  • Verlagsort: Köln
  • Erscheinungsjahr: 2007
  • Sprache: deutsch, englisch, französisch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 336
  • Bindung: Hardcover, Schutzumschlag
  • Preis: 49,99 Euro
  • ISBN: 9783822856215

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