Fotos zerrissener Fotos

SilberLicht ist zunächst eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Wandel in der Technologie. Früher, es ist gar nicht lange her, bestand der fotografische Prozess aus zweimaligem Kontakt von Licht und lichtempfindlichen Schichten: beim Fotografieren auf Film, beim Vergrößern auf Fotopapier. Soweit, so bekannt. Amin El Dib arrangierte belichtetes Barytpapier zu Stillleben und fotografierte diese. Die Risskanten und die Reflexe der kontrastreichen Beleuchtung offenbaren die pure Materialität des traditionellen Fotopapiers. Dahinter liegt oft tiefstes Schwarz, was den Stilleben eine faszinierende Tiefe verleiht, die an den Blick von einem fremden Planeten in die Weite des Alls erinnert.

Aber es geht natürlich nicht allein um Technik. Die Motive auf den Fotopapierfragmenten sind mal mehr, mal weniger deutlich zu erkennen. Zu sehen sind Hautoberflächen. Der Mensch ist fragmentiert, in Stücke zerrissen, sein Bild wird neu arrangiert und in edler Ästhetik präsentiert: So kann ein Fotobuch aussehen, das in seiner engen Verschränkung von Form und Inhalt das Zeug zum künftigen Klassiker hat. Nebenbei: die expressive Beleuchtung der Papierstilleben und die zwischen schwarzem Aktendeckelkarton sich verbergende Ringbindung des Buches verweisen auf die klassische Moderne der künstlerischen Fotografie um 1930. El Dib zollt der ersten Avantgarde in Zeiten des Umbruchs einen Tribut, ohne antiquiert zu wirken. Sind auch die Fotos zerrissen, die Fotografie lebt weiter.